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Sonstiger Kurztext
"Gebäudebewachung und Besetzung der Pforte der Universität xxx "
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Diese Entscheidung wird zitiert
Gregor Franßen, IBR 2014, 161 (Anmerkung) Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird abgelehnt.
2. Die bei der Vergabekammer angefallenen Verfahrenskosten sowie die der Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Die bei der Vergabekammer entstandenen Verfahrenskosten werden auf xxx € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Das Nachprüfungsverfahren betrifft eine Ausschreibung der Universität xxx im offenen Verfahren (Gebäudebewachung und Besetzung der Pforte der Universität).
- 2
Der Dienstleistungsauftrag ist im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (2013/S xxx, Bekanntmachung vom xxx) veröffentlicht. In der Bekanntmachung ist ausgeführt:
- 3
III.2.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit
- 4
Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen:
- 5
-… -Eigenerklärung, dass die Tarifverträge für das Wach- und
- 6
Sicherheitsgewerbe eingehalten werden und die Entlohnung der Mitarbeiter nach den gültigen Tarifverträgen für das Bundesland Baden-Württemberg erfolgt.
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IV.2.1) Zuschlagskriterien
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Niedrigster Preis
- 9
Die Antragstellerin hat sich mit Angebotsschreiben vom 22.08.2013 um den Auftrag beworben.
- 10
Mit Informationsschreiben gemäß § 101a GWB vom 07.10.2013 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag nicht auf deren Angebot erteilt werden könne, da die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Es sei beabsichtigt, nach Ablauf der Frist von 10 Tagen, d.h. am 18.10.2013, den Zuschlag an den Bieter „Fa. xxx zu erteilen.
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Mit Schreiben vom 09.10.2013 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass die Vergabe „an die Firma xxx gerügt werde. Aus der Mitteilung der Vergabestelle sei nicht zu erkennen, um was für eine Firma es sich handle, der der Zuschlag erteilt werden solle. Der Antragstellerin sei nur eine Firma xxx bekannt. Der Antragstellerin sei bekannt, dass die Firma xxx ihren Mitarbeitern insbesondere die Anzahl von tariflichen Urlaubstagen nicht gewähre, d.h. nur 24 Tage und nicht die tariflichen 32 Tage. Deshalb habe das Angebot der Firma xxx ausgeschlossen werden müssen, da in den Verdingungsunterlagen eine Tariftreue im Wach- und Sicherheitsgewerbe gefordert worden sei. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass sie selbst das preisgünstigste Angebot abgegeben habe und kein preisgünstigeres Angebot vorliege.
- 12
Auf dieses Rüge-Schreiben der Antragstellerin teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 10.10.2013 mit, dass es sich bei der angegebenen Firma, die den Zuschlag erhalten solle, um die Firma xxx handle. Diese erfülle alle Anforderungen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde. Hinsichtlich der Rangstellung des Angebots der Antragstellerin teilte die Antragsgegnerin mit, dass auf Grundlage der von dieser eingereichten Unterlagen keine Wertung habe vorgenommen werden können, da die Anlagen 3 und 4 und somit die Kalkulation nicht eingereicht worden sei.
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Hierauf erwiderte die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.10.2013, dass die Rüge aufrechterhalten werde. Das Angebot sei vollständig gewesen und habe die Anlagen 3 und 4 beinhaltet. Schließlich sei im Schreiben der Antragsgegnerin vom 07.10.2013 auch mitgeteilt worden, dass das „Angebot auf Grund unseres abgegebenen Preises“ nicht habe berücksichtigt werden können.
- 14
Die Antragsgegnerin antwortete mit Schreiben vom 17.10.2013, dass die Angebotseröffnung nicht bei der für die Vergabeentscheidung zuständigen Stelle, sondern beim zentral dafür zuständigen Dezernat erfolgt sei. Dort sei die Eröffnung mit mehreren Beteiligten durchgeführt worden und dabei sei das Fehlen der Kalkulationsblätter festgestellt und protokolliert worden. Aufgrund der fehlenden Kalkulationsblätter sei das Angebot in wesentlichen Teilen nicht vollständig und daher gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a VOL/A ausgeschlossen worden.
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Daraufhin reichte die - zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene - Antragstellerin mit Schreiben vom 17.10.2013 per Fax einen Nachprüfungsantrag (ohne Anlagen) bei der Vergabekammer ein, dem das Schreiben vom 17.10.2013 mit Anlagen per Post folgte. Sinngemäß beantragte sie, das Angebot der Fa. xxx auszuschließen und ihr als günstigster Bieterin den Zuschlag zu erteilen.
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Die Vergabekammer übermittelte den Nachprüfungsantrag am 22.10.2013 an die Antragsgegnerin, nachdem die Nachprüfungsunterlagen vollständig vorlagen und die Antragstellerin einen Gebührenvorschuss in Höhe von xxx € überwiesen hatte.
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Mit Beschluss vom 24.10.2013 hat die Vergabekammer die Firma xxx zum Verfahren beigeladen.
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Mit Schriftsatz vom 24.10.2013 beantragte die Antragsgegnerin, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin notwendig war. Gleichzeitig beantragte sie, der Antragsgegnerin schon jetzt zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung über die Gestattung zu erteilen. Begründet wurde der Antrag damit, dass der Ausschluss tatsächlich wegen der fehlenden Preisblätter und im Übrigen zu Recht erfolgt sei. Da es sich um das Fehlen von wesentlichen Preisangaben gehandelt habe, sei eine Nachforderung der Angebotsblätter ausgeschieden. Die Antragsgegnerin habe die nicht ganz korrekt erfolgte Mitteilung, dass die Antragstellerin nicht berücksichtigt werden könne, weil sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, gegenüber der Antragstellerin unverzüglich korrigiert. Es handle sich um ein bedauerliches Versehen. Das Angebot der Antragstellerin habe im Übrigen auch keine Chance auf den Zuschlag, da es bei (preislicher) Wertung nur an dritter Stelle läge und deshalb selbst bei Ausschluss der Beigeladenen nicht zum Zuge käme.
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Mit Schriftsätzen vom 28.und 29.10.2013 sandte die Antragsgegnerin der Vergabekammer jeweils eine eidesstattliche Versicherung der Universitätsmitarbeiter xxx und xxx sowie der dortigen Juristin, xxx. Alle drei bestätigen darin, dass das Angebot der Antragstellerin unvollständig bei der Universität eingegangen sei. In dem Protokoll der Verdingungsverhandlung sei die Unvollständigkeit des Angebots vermerkt worden. Die Eröffnungsstelle habe das Justiziariat (xxx) nach Erkennen des unvollständigen Angebots hinzugebeten und diese habe das Angebot dann ebenfalls geprüft.
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Die zwischenzeitlich anwaltlich vertretene Antragstellerin beantragt mit Schriftsatz vom 08.11.2013 festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei und geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen. Hilfsweise wird für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise beantragt, festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. Weiterhin wird beantragt, Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen wie folgt:
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Die Antragstellerin sei sowohl auf Grund des Ausschlusses wegen angeblich fehlender Angebotspreise und Kalkulationen als auch auf Grund der fehlerhaften und unvollständigen Bieterinformation in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Für die Antragstellerin habe es überhaupt keinen Grund gegeben, ein Angebot ohne Preis und Kalkulation abzugeben. Für einen solchen Fall habe sich die Antragstellerin die Erarbeitung eines Angebots auch sparen können. Vielmehr sei bei der Antragsgegnerin ein subjektiver Grund zu vermuten, das Angebot der Antragstellerin auszuschließen. So habe die Antragsgegnerin für die Monate Mai und Juni trotz Fälligkeit und Mahnungen Rechnungen nicht ausgeglichen, so dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin diese zur Zahlung auffordern musste. Die Antragsgegnerin habe sowohl die entstandenen Rechtsanwaltskosten als auch die Zinsen im August 2013 ausgleichen müssen. Die Beigeladene dürfe den Zuschlag nicht erhalten. Deren Angebot läge deutlich unter dem Monatsangebotspreis von brutto € xxx, der bei Einberechnung aller Leistungen und Standards mindestens erforderlich sei, damit der geforderte Tariflohn eingehalten werden könne. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Antragstellerin die neu zu vergebenden Leistungen bereits bis zum 31.10.2013 ausgeführt habe und somit über ausgewiesenes Personal und Bekleidung etc. verfügte, sei es ihr möglich gewesen, lediglich mit einem Gewinnaufschlag von …% (Anmerkung Vergabekammer: der Wert ist angegeben, jedoch geheimhaltungsbedürftig) zu kalkulieren. Unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei es einem anderen Bieter nicht möglich, den Preis der Antragstellerin zu unterbieten, ohne einen Verlust zu erwirtschaften. Derartige Angebote hätten mangels Auskömmlichkeit ausgeschlossen werden müssen.
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Mit dem Schriftsatz vom 08.11.2013 reichte die Antragstellerin eine eidesstattliche Erklärung der Büroangestellten der Antragstellerin, Frau xxx, mit folgendem (auszugsweise) Wortlaut ein:
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„Die mir von Herrn xxx übergebenen Unterlagen wurden von mir komplettiert und in die Mappe der Firma xxx eingeheftet, anschließend mit einem Briefumschlag zur Versendung bereitgelegt. Die Versendung erfolgte am gleichen Tag, dem 22.08.2013.
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Bis zum Zeitpunkt der Versendung waren in den Ausschreibungsunterlagen die Anlage 3 Angebotsblatt Seite 1, Anlage 4 Version 4 Seite 1 Kalkulation, Anlage 3
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Seite 2 Angebotsblatt, Anlage 4 Version 2 Kalkulation beigefügt. Dies wurde von mir ebenfalls kontrolliert, da ich die Komplettierung des Angebotes vorgenommen habe. Auf den o.g. Anlagen mit den Preisen befand sich jeweils die Unterschrift des Geschäftsführers Herrn xxx sowie der Stempel der Fa. xxx.
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Am 08.11.2013 gewährte die Vergabekammer der Antragstellerin – beschränkte – Akteneinsicht.
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Mit Schriftsatz vom 11.11.2013 vertiefte und ergänzte die Antragsgegnerin ihren bisherigen Vortrag und setzte sich mit dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 08.11.2013 auseinander. Insbesondere widerspricht sie den Ausführungen der Antragstellerin, dass es anderen Bietern gar nicht möglich sei, den Preis der Antragstellerin zu unterbieten ohne einen Verlust zu erwirtschaften. Die Frage des (von der Antragstellerin einkalkulierten sehr geringen) Gewinnaufschlags habe nichts zu tun mit der Kalkulation der Leistung. Niedrigere preisliche Angebote als die der Antragstellerin müssten deshalb nicht zwingend mangels Auskömmlichkeit ausgeschlossen werden. Im Übrigen sei dieser Punkt gar nicht Gegenstand der Rüge der Antragstellerin gewesen und deshalb bereits verspätet vorgebracht. Die Beigeladene sei auch nicht vom Verfahren auszuschließen, weil die Antragstellerin mutmaße, dass die Beigeladene sich nicht wie gefordert an die tarifvertraglichen Regelungen halte. Hierbei handle es sich um eine bloße Vermutung der Antragstellerin, die einer Tatsachenbasis entbehre. Mit der Ausschreibung sei eine Tariftreueerklärung abgefordert worden. Unter III.2.2) sei von den Bietern eine Eigenerklärung gefordert worden, dass die Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe eingehalten werden und die Entlohnung der Mitarbeiter nach den gültigen Tarifverträgen für das Bundesland Baden-Württemberg erfolgen. Die Beigeladene habe diese geforderte Tariftreueerklärung abgegeben. In Ermangelung anderer gegenteiliger Anhaltspunkte dürfe die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass die Kalkulation der Beigeladenen auf der Basis des Tarifvertrages und der dort festgelegten Vergütung beruhe.
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In der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage ausführlich erörtert. RA xxx entschuldigt die krankheitsbedingt nicht erschienene Justiziarin der Antragsgegnerin. Davon abgesehen waren alle geladenen Personen erschienen. Die Antragstellerin überreichte der Vergabekammer sowie der Antragsgegnerin die Kopie einer Excel-Tabelle der Antragsgegnerin mit sämtlichen Namen und Preisen (für den Bereich Wachdienst) der Bieter, welche sich am Vergabeverfahren mit einem Angebot beteiligt hatten. Dieses Blatt, das bei sechs Bietern den Eintrag von Faxnummern sowie verteilt die Ziffern 1 bis 6 enthält, sei der Antragstellerin in einem DIN-A-3-Kuvert anonym und ohne weiteres Anschreiben per Post zugegangen. Die Beteiligten stellten ihre bereits schriftsätzlich formulierten Anträge. Die Beigeladene stellte keinen Antrag.
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Zum übrigen Vorbringen der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Vergabeakten der Antragsgegnerin Bezug genommen, die der Kammer vorlagen.
II.
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Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (A), aber unbegründet (B).
- 31
A Zulässigkeit
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Das Vergabenachprüfungsverfahren ist statthaft. Gemäß §§ 102, 104 Abs. 2 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Die Antragsgegnerin ist als – nicht privat betriebene - Universität öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB.
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Der Schwellenwert nach §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. §§ 1, 2 Nr. 2, 3 Abs. 1 VgV (Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge - Vergabeverordnung -) in Höhe von 200.000 € ist deutlich überschritten. Die Antragsgegnerin geht in der öffentlichen Bekanntmachung unter Ziffer II.2.1) von einem geschätzten Auftragswert (ohne Mehrwertsteuer) von xxx € aus. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Baden-Württemberg ergibt sich aus § 104 Abs.1 GWB, § 106 a Abs. 3 GWB, § 1 Vergabenachprüfungsverordnung (VNPVO).
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Die Antragstellerin ist überdies antragsbefugt, da sie ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots bekundet hat (s. hierzu ibr-online-Kommentar Weyand, Vergaberecht 2010 zu § 107 GWB Rn. 82). Nachdem ihr zunächst mitgeteilt wurde, dass sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe und später, dass das Angebot mangels vollständiger Unterlagen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei, hat sie eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht.
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Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig: Die Antragstellerin hat unverzüglich gerügt, dass ihr Angebot zu Unrecht ausgeschlossen worden sei und sie eine echte Chance auf den Zuschlag habe. Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Angebot der Antragstellerin nach dem einzigen Zuschlagskriterium des niedrigsten Preises und unter Heranziehung des dem Nachprüfungsantrag beigefügten Preisblattes nur an dritter Stelle läge (hinter der Beigeladenen und einer weiteren Bieterin). Denn die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des entstandenen bzw. drohenden Schadens soll lediglich diejenigen Bieter von einem Nachprüfungsverfahren ausschließen, bei denen offensichtlich keine Rechtsbeeinträchtigung vorliegt und die deshalb keinerlei Aussicht auf Berücksichtigung ihres Angebotes und auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätten (s. hierzu Kommentar zum GWB-Vergaberecht, Kulartz/Kus/Portz, 2. Auflage 2009, § 107, Rn. 35 ff.). Dies wäre ggfls. dann anders zu sehen, wenn die Antragstellerin auf einem so schlechten preislichen Rang stünde, dass zahlreiche Bieter vor ihr mit ihrem Angebot auszuscheiden wären und die Antragstellerin nur dann auf Platz 1 vorrücken könnte (s. zu solch einer Fallkonstellation: VK Baden- Württemberg, Beschluss vom 17.12.2010, 1 VK 64/10). Vorliegend hat die Antragstellerin Gründe benannt, weshalb das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei. Sollte dieses Vorbringen tatsächlich berechtigt sein, würde – bei Wertung des Angebots der Antragstellerin – diese auf Platz 2 vorrücken. Da die Antragstellerin im VOL-Verfahren im Gegensatz zum VOB-Verfahren nicht weiß (jedenfalls nicht auf regulärem Wege), welche Bewerber an dem Vergabeverfahren teilgenommen und welches preisliche Angebot sie abgegeben haben, bleibt der Bieterin nichts anderes übrig, als – bei erfolgreichem Ausschluss des bisher Erstplatzierten – abzuwarten, wer danach in der Mitteilung nach § 101a GWB als Bieterin genannt wird, die den Zuschlag erhalten soll, und dann ggfls. auch hiergegen vorzugehen.
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B Begründetheit
- 37
Der Nachprüfungsantrag ist in der Sache unbegründet.
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Die Antragstellerin wurde durch den Ausschluss ihres Angebotes nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt.
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Der Ausschluss war rechtmäßig, da die Antragstellerin nicht den ihr obliegenden Beweis erbringen konnte, dass ihr Angebot vollständig war.
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Unvollständige Angebote sind gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a) VOL/A zwingend auszuschließen, wenn diese nicht die geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten. Erklärungen und Nachweise können zwar gemäß § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden. Dies gilt allerdings nicht für die Nachforderung von Preisangaben, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen (§ 19 EG Abs. 2 Satz 2 VOL/A). Da im Angebot der Antragstellerin nicht nur einzelne Preisangaben fehlten, sondern die gesamten Preisblätter/-angaben, welche wesentlicher Bestandteil eines jeden Angebots sind, war eine Nachforderung nicht möglich.
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a.) Darlegungs- und Beweislast
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Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein vollständiges Angebot eingereicht wurde, trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Bieter (s. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.11.2003, VII – Verg 47/03). D.h., die Antragstellerin hat nachzuweisen, dass in den an die Antragsgegnerin versandten Angebotsunterlagen auch die streitgegenständlichen und ganz wesentlichen Angebotsblätter (Anlage 3) sowie die Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes (Anlage 4) enthalten waren und nicht fehlten. Gelingt ihr es nicht, die Vollständigkeit ihres Angebotes dadurch zu belegen, dass sie Unregelmäßigkeiten oder Fehler, die nicht in ihrer Risiko- bzw. Verantwortungssphäre, sondern in der Sphäre der Antragsgegnerin liegen, plausibel zu machen, so hat sie den erforderlichen Nachweis nicht erbracht und ihr Angebot bleibt zu recht ausgeschlossen.
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b.) Würdigung der Aussagen der Antragstellerseite
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Die Vergabekammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 den Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn xxx, sowie dessen Büroangestellte, Frau xxx, zu dem Thema „Erstellen, Überprüfen und Versenden der Angebotsunterlagen“ angehört. Unter Heranziehung auch der von Frau xxx mit Datum vom 27.10.2013 abgegebenen eidesstattlichen Erklärung (zur Zulässigkeit einer solchen Erklärung im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren s. § 110 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 57 GWB; Rainer Bechtold, GWB-Kommentar, 3. Auflage 2002, § 57 Rn. 4) wertet die Vergabekammer die folgenden Aussagen:
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Herr xxx führte aus, dass er das Angebot sorgfältig und mit einer äußerst geringen Gewinnspanne unter Berücksichtigung der Einhaltung aller von der Antragsgegnerin geforderten Standards kalkuliert und zusammengestellt habe. Er habe - wie bei ihm üblich – die Kopien persönlich gefertigt und lediglich das Originalangebot seiner im gleichen Büro sitzenden Angestellten zur Überprüfung übergeben. Die Kalkulation habe er zusätzlich an seinem Rechner mit einer individuellen Software gerechnet. Zugriff hierauf habe seine Angestellte nicht. Diese habe lediglich die Originalunterlagen insbesondere zur Überprüfung auf Vollständigkeit und Unterschriften, aber auch auf Überprüfung der Korrektheit des kalkulierten Stundenverrechnungssatzes erhalten. Das Angebot selbst habe seine Angestellte dann in den Umschlag (braunes vorbeschriftetes Kuvert) getan und zur Post gegeben. Den Umschlag, der in der mündlichen Verhandlung gezeigt wurde, habe Herr xxx selbst handschriftlich mit der Adresse der Universität xxx versehen. Die Kopien, bei denen auch die bei der Antragsgegnerin fehlenden Angebotsblätter
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(Anlage 3 und 4) enthalten seien, habe er persönlich abgelegt.
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Frau xxx führte aus, dass – wie bereits in der eidesstattlichen Erklärung erklärt – Herr xxx ihr die Originalunterlagen gegeben habe und sie diese auf Vollständigkeit und notwendige Unterschriften durchgesehen habe. Weiterhin habe sie auch die Stundenverrechnungssätze nachgerechnet. Letzteres ist in der eidesstattlichen Erklärung allerdings nicht enthalten. Auf Vorhalt des antragsgegnerischen Anwalts räumt sie ein, dass das Angebot, wie sie es von Herrn xxx erhalten habe, vollständig gewesen sei und sie keine „Komplettierung“ vorgenommen habe. Die eidesstattliche Erklärung sei insoweit nicht ganz korrekt.
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Die der Vergabekammer vorliegende eidesstattliche Erklärung vom 27.10.2013 lautet (auszugsweise):
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„Die mir von Herrn xxx übergebenen Unterlagen wurden von mir komplettiert und in die Mappe der Firma xxx eingeheftet, anschließend mit einem Briefumschlag zur Versendung bereitgelegt…
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Bis zum Zeitpunkt der Versendung waren in den Ausschreibungsunterlagen die Anlage 3 Angebotsblatt Seite 1, Anlage 4 Version 4 Seite 1 Kalkulation, Anlage 3 Seite 2 Angebotsblatt, Anlage 4 Version 2 Kalkulation beigefügt. Dies wurde von mir ebenfalls kalkuliert, da ich die Komplettierung des Angebotes vorgenommen habe.“
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Die Aussagen des Geschäftsführers und seiner Angestellten sind nachvollziehbar, in den wesentlichen Punkten in sich widerspruchsfrei und glaubhaft. Insbesondere würde es auch nach Ansicht der Vergabekammer – wie dies die Antragstellerin bereits schriftsätzlich vorgetragen hat – keinen Sinn machen, dass bewusst ein mangelhaftes Angebot abgegeben wird, weil beim einzigen Zuschlagskriterium des niedrigsten Preises ausgerechnet diese wichtigste Unterlage in den Angebotsunterlagen fehlt.
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Allerdings wird dadurch auch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, dass beim Einheften der Unterlagen in die Angebotsmappe nicht doch versehentlich die Anlage 3 und 4 vergessen oder übersehen wurde. Die Angebotsmappe der Antragstellerin ist ein Schnellhefter aus bedrucktem Karton. In der Mappe – so wie sie der Vergabekammer vorliegt - befinden sich insgesamt 43 DIN-A-4-Seiten. Die Seiten sind nicht miteinander verbunden und mussten nicht zwingend als Gesamtheit in die Mappe einsortiert werden. Mit anderen Worten: Es bleibt denkbar, dass die Unterlagen bei der Prüfung durch die Angestellte vollständig waren, dann aber – aus welchen Gründen auch immer - nicht vollständig Eingang in die Angebotsmappe fanden.
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Auch die eidesstattliche Erklärung von Frau xxx ergibt insoweit nichts anderes. Denn aus dieser Erklärung ist lediglich zu entnehmen, dass die von Herrn xxx übergebenen Unterlagen in die Mappe eingeheftet und anschließend mit einem Briefumschlag zur Versendung bereitgelegt wurden. Es wurde dagegen nicht eidesstattlich erklärt, dass die Mappe, welche anschließend in den vorbereiteten Briefumschlag kam, die vollständigen Unterlagen enthielt, sondern nur, dass die Ausschreibungsunterlagen vollständig waren. D.h., es besteht die nicht abwegige Möglichkeit, dass die Unterlagen zum Zeitpunkt der Prüfung durch Frau xxx vollständig waren, aber die geprüften Unterlagen erst danach den Weg in die Mappe nahmen und dort nicht vollständig einsortiert wurden – oder einzelne Seiten danach zum Zwecke der nochmaligen Überprüfung wieder herausgenommen und nicht wieder einsortiert wurden.
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c.) Würdigung der Aussagen der Antragsgegnerseite
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Die Vergabekammer bat die drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin vor ihrer Anhörung zunächst, den Saal zu verlassen und hörte sie dann in nachfolgender Reihenfolge an:
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1.) Herr xxx
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Herr xxx erläutert, dass er am Tag der „Verdingungsverhandlung“ die Angebote aus dem verschlossenen Schrank in seinem Büro in der Universität xxx herausgeholt und diese dann zusammen mit seinem Kollegen, Herrn xxx, auf Unversehrtheit und Vollständigkeit geprüft und das Ergebnis an seinem Computer erfasst habe. Zu dem Schrank habe nur er und sein Sekretariat einen Schlüssel. Bei der Überprüfung der Angebotsmappen seien sie wie gewohnt arbeitsteilig vorgegangen. Sein Büroschreibtisch sei wie immer leergeräumt gewesen. Die Angebote seien von Herrn xxx auf Unversehrtheit geprüft, jeweils geöffnet und auf Vollständigkeit überprüft worden. Weiterhin seien die angebotenen Preise erfasst worden. So seien alle Angebote nacheinander abgearbeitet worden. Die Preise habe Herr xxx ebenso wie die Namen und Adressen der Bieter in eine Liste eingetragen. Herr xxx habe die jeweiligen Angebote mit einer Zange markiert. Dabei seien die einzelnen Blätter in den Angebotsmappen verblieben. Da die Zange nicht groß sei, könnten nur ca. 20 Blätter damit auf einmal markiert werden. Bei der Größe der Angebotsmappen habe deshalb so 2 – 3 mal angesetzt werden müssen. Als das Angebot der Antragstellerin an der Reihe gewesen sei, habe sein Kollege kein Preisblatt finden können. Auch bei wiederholter gemeinsamer Durchsicht seien Preise unauffindbar gewesen in der Angebotsmappe. Dies habe er dann in sein Protokoll eingetragen. Er habe dann mit dem Justiziariat der Universität telefonischen Kontakt aufgenommen und Frau xxx erreicht, die eine der drei Juristen bei der Universität sei. Diese sei dann auch sofort gekommen und habe dann ebenfalls bestätigt, dass im Angebot der Firma xxx Preisblätter fehlten. Danach habe er den Sachbearbeiter in diesem Vergabeverfahren, Herrn xxx angerufen, der in der dritten Etage im gleichen Gebäude sein Büro habe, und der gleich gekommen sei und die Angebote abgeholt habe.
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Die Aussagen von Herrn xxx sind nachvollziehbar, widerspruchsfrei und glaubhaft. Sie stimmen mit seiner eidesstattlichen Versicherung vom 28.10.2013 überein und mit den späteren Aussagen seines Kollegen, Herrn xxx. Dabei hat die Vergabekammer auch Detailfragen an Herrn xxx gerichtet, die nicht Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung waren, die er widerspruchsfrei beantworten konnte und die dem Verdacht einer Absprache mit seinem Kollegen entgegenstehen.
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2.) Herr xxx
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Herr xxx erläutert den Ablauf der „Verdingungsverhandlung“ und beantwortet Detailfragen der Vergabekammer. Insbesondere führt er auf Nachfrage aus, dass er eine Zange habe, mit der er die Angebotsblätter markiert habe ohne diese aus der Mappe zu nehmen. Die Zange sei nicht sehr groß und reiche schätzungsweise für ca. 10 -12 Blätter, die zusammengenommen markiert werden könnten. Bei den vorliegenden Angebotsmappen habe deshalb mehrmals angesetzt werden müssen. Er habe alle Angebotsmappen auf Unversehrtheit überprüft. Es sei aber keine einzige dabei gewesen, die irgendwelche Risse oder sichtbare Spuren einer vorherigen Öffnung aufgewiesen hätte. Auf Nachfrage erklärt er, dass man erkenne, wenn ein Umschlag schon einmal geöffnet worden sei, da dann der Papierverschluss nicht mehr richtig hafte und sich welle. Dies sei aber nicht der Fall gewesen bei dem Angebot der Antragstellerin.
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Die Aussagen von Herrn xxx sind nachvollziehbar, widerspruchsfrei und glaubhaft. Sie stimmen mit seiner eidesstattlichen Versicherung vom 28.10.2013 überein und mit den vorherigen Aussagen seines Kollegen, Herrn xxx. Dabei hat die Vergabekammer auch Detailfragen an Herrn xxx gerichtet, die nicht Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung waren, die er widerspruchsfrei beantworten konnte und die dem Verdacht einer Absprache mit seinem Kollegen entgegenstehen.
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3.) Herr Bilinski
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Herr xxx erläutert, dass er zum ersten Mal eine VOL-Ausschreibung durchgeführt habe. Er sei eigentlich für die Bausachen bei der Universität xxx zuständig. Er habe die Sachbearbeitung alleine gemacht und keine Erfahrung mit solchen Ausschreibungen. Von der Verdingungsverhandlung am 29.08.2013 habe er zwar gewusst, damit aber nichts zu tun gehabt. Nachdem die Verdingungsverhandlung beendet gewesen sei, habe ihn sein Kollege angerufen und er habe am gleichen Tag die Angebotsunterlagen abgeholt. Auf die Frage der Vergabekammer wie es konkret dazu gekommen sei, dass er der Antragstellerin zunächst ein Absageschreiben gesandt habe, wonach diese nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, führte er aus, dass er mit Textbausteinen gearbeitet habe und allen 14 Bietern, die nicht zum Zuge gekommen seien, ein identisches Schreiben gesandt und nur die Adresse individuell angepasst habe.
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Die Aussagen von Herrn xxx sind nachvollziehbar, widerspruchsfrei und glaubhaft.
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Ergebnis
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Es bleibt letztendlich offen, wo und auf welchem Weg die Preisblätter der Antragstellerin, die Bestandteil des Angebots hätten sein sollen, abhandengekommen sind. Der Beweis ist nicht erbracht, dass das Angebot der Antragstellerin vollständig bei der Antragsgegnerin eingegangen ist. Wie oben ausgeführt, geht dies nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln zu Lasten der Antragstellerin.
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Da das Angebot der Antragstellerin zu Recht wegen Unvollständigkeit von der Antragsgegnerin ausgeschlossen wurde, kommt es nicht mehr auf die weitergehenden Fragen an, ob auch das Angebot der Beigeladenen hätte ausgeschlossen werden müssen. Die Vergabekammer prüft im vorliegenden Verfahren nur, ob die Rechte der Antragstellerin verletzt sind, sie führt jedoch nicht eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle durch (s. hierzu VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.12.2010, 1 VK 64/10 mit weiteren Nachweisen).
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 S.1 und Abs. 4 S. 1 und 2 GWB.
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1.) Ausgehend vom Gebührenrahmen des § 128 Abs. 2 GWB, dem personellen und wirtschaftlichen Aufwand und unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin an dem Auftrag sowie dem Umfang und der Schwierigkeit des Verfahrens hält die Kammer eine Gebühr in Höhe von xxx € für angemessen. Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an dem Auftrag ergibt sich aus ihrem Angebot (Anlage 3, Angebotsblätter Seite 1 und 2, welche der Vergabekammer durch den Nachprüfungsantrag bekannt sind, dem die im eigentlichen Angebot fehlenden Blätter als Kopie beigefügt wurden). Zugrunde gelegt wird dabei der angebotene monatliche Gesamtpreis (netto) für die Bereiche „Empfangsperson an der Pforte“ und „Wachleute“ multipliziert mit dem Faktor 48. Dieser ist heranzuziehen, da der Auftrag für ein Jahr vergeben werden soll und eine dreimalige Verlängerungsmöglichkeit für jeweils ein Jahr beinhaltet (Ziffer II.1.5 der öffentlichen Bekanntmachung), d.h. maximal 48 Monate. Unter Berücksichtigung dieser Zahlen ergibt sich eine Gesamtsumme, die zwischen xxx und xxx € liegt. Nach der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes, die auch die Vergabekammer Baden-Württemberg aus Gründen der einheitlichen Handhabung der Berechnung der Gebühr als Richtwert zugrunde legt, ergibt sich für den entsprechenden Betrag eine Gebühr in Höhe von xxx €. Eine Abweichung hiervon nach unten auf Grund der o.g. Kriterien ist vorliegend angezeigt, da der Aufwand der Vergabekammer zwar insgesamt nicht unerheblich war (insbesondere mündliche Verhandlung), sich der Aufwand von anderen umfangreichen und schwierigen Verfahren jedoch auf Grund der übersichtlichen und einfacher gelagerten juristischen Problemstellungen unterschied. Deshalb hält die Kammer eine Gebühr in Höhe von xxx € für angemessen.
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2.) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin war nicht für notwendig zu erklären.
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Nach der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den öffentlichen Auftraggeber (s. insbesondere OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10, vom 06.04.2011, 15 Verg 3/11 sowie vom 11.07.2011, 15 Verg 5/11; OLG München, Beschluss vom 28.02.2011, Verg 23/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10), ist immer auf den Einzelfall abzustellen. Verallgemeinernd hat das OLG München (s.o.) entschieden, dass unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den öffentlichen Auftraggeber immer dann notwendig sei, wenn der Antragsteller durch eine auf das Vergaberecht spezialisierte Kanzlei vertreten sei. Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass maßgeblich sei, ob ein verständiger Beteiligter unter Beachtung seiner Pflicht, die Kosten so gering wie möglich zu halten, die Beauftragung eines Bevollmächtigten für notwendig erachten durfte. Zu fragen sei also, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, auf Grund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen. Hierfür können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände bestimmend sein, wie etwa die sachliche und personelle Ausstattung des Beteiligten, also beispielsweise, ob er über eine Rechtsabteilung oder andere Mitarbeiter verfügt, von denen erwartet werden kann, dass sie gerade und auch Fragen des Vergaberechts sachgerecht bearbeiten können, oder ob allein der kaufmännisch gebildete Geschäftsinhaber sich des Falls annehmen muss.
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Diese Kriterien zugrunde gelegt, war eine Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin nicht notwendig. Im vorliegenden Fall ging es nicht um die Lösung besonders schwieriger allgemeiner oder europarechtlicher Rechtsfragen, sondern um solche, die im üblichen Zusammenhang mit dem Vergaberecht stehen. Im Wesentlichen stellte sich die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin, das – aus welchen Gründen auch immer – unvollständig vorlag, ausgeschlossen werden durfte bzw. werden musste. Diese Beurteilung ist dem Sachverstand einer Vergabestelle vorbehalten und erfordert kein spezielles juristisches Detailwissen. Dagegen hält die Vergabekammer eine mangelnde „Waffengleichheit“ nicht für ausreichend, der Antragsgegnerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zu gewähren. D.h. die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist nicht für notwendig zu erklären, nur weil auch die Antragstellerin einen Rechtsanwalt hinzugezogen hat. Es reicht insofern auch nicht aus, dass es für eine Vergabestelle grundsätzlich vorteilhaft sein kann, wenn eine auf Vergaberecht spezialisierte und versierte Anwaltskanzlei hinzugezogen wird, weil im weiteren Verlauf des Verfahrens möglicherweise weitere und nicht sofort vorhersehbare Probleme gelöst werden müssen. Hinzukommt, dass die Antragsgegnerin nach eigener Aussage über ein Justiziariat mit drei Volljuristen verfügt. Eine von diesen drei Juristen, nämlich Frau xxx, wurde in das Vergabeverfahren auch einbezogen und hat insoweit sogar eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, nachdem offensichtlich wurde, dass ein Angebot unvollständig vorlag und deswegen der Ausschluss dieses Angebots drohte.
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3.) Die Beigeladene war zwar in der mündlichen Verhandlung anwesend, hat sich aber weder aktiv in das Verfahren eingebracht, noch sich schriftsätzlich geäußert, noch Anträge gestellt und sich damit an dem Kostenrisiko bei einem möglichen Unterliegen nicht beteiligt. Es entspricht daher der Billigkeit, dass sie ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen selbst trägt.
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