Schnellnavigation

Steuerleiste | Navigation | Suche | Inhalt

Trefferliste

Dokument

  in html speichern drucken pdf Dokument Ansicht maximierenStandardansicht wiederherstellen
Kurztext
Langtext
Gericht:Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 3. Senat
Entscheidungsdatum:01.03.1996
Aktenzeichen:3 S 13/94
ECLI:ECLI:DE:VGHBW:1996:0301.3S13.94.0A
Dokumenttyp:Urteil
Quelle:juris Logo
Normen:§ 24 Abs 1 Nr 3 BauGB, § 24 Abs 3 BauGB, § 26 Nr 4 BauGB, § 28 Abs 1 S 1 BauGB, § 28 Abs 2 S 1 BauGB, § 144 Abs 2 Nr 1 BauGB, § 144 Abs 2 Nr 3 BauGB, § 144 Abs 4 Nr 1 BauGB

Zur Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts: Ausübungsvoraussetzungen zB Wirksamkeit des Kaufvertrages, Vorliegen der notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Einhaltung der Ausübungsfrist; Ausschluß des Vorkaufsrechts

Leitsatz

1. Die Ausübung des Vorkaufsrechts setzt einen wirksamen Kaufvertrag voraus. Das bedeutet, daß notwendige öffentlich-rechtliche Genehmigungen erteilt sein müssen, bevor das Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann.

2. Eine analoge Anwendung des § 144 Abs 4 Nr 1 BauGB auf die Fälle, in denen durch die Ausübung des Vorkaufsrechts ein Vertrag mit einer Gemeinde zustande kommt und diese dadurch nachträglich Vertragsteil wird, ist nicht möglich.

3. Eine nach § 144 Abs 2 Nrn 1 und 3 BauGB erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung ist bei Ausübung des Vorkaufsrechts durch eine Gemeinde nicht im Hinblick darauf entbehrlich, daß die mit der sanierungsrechtlichen Genehmigung auszuübende Kontrolle denselben Zweck verfolgt wie die Ausübung des Vorkaufsrechts.

4. Die Zweimonatsfrist für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 28 Abs 2 S 1 BauGB beginnt nur zu laufen, wenn der Gemeinde das Vorliegen der Wirksamkeitsvoraussetzungen des Vertrags mitgeteilt wurde. Wird der Gemeinde ein noch genehmigungsbedürftiger Kaufvertrag übersandt, muß zu gegebener Zeit die Erteilung der Genehmigung mitgeteilt werden; erst dann beginnt die Frist zu laufen. Die für die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständige Dienststelle der Gemeinde ist nicht verpflichtet, von sich aus Erhebungen darüber anzustellen, ob eine von einer anderen Dienststelle der Gemeinde zu erteilende Genehmigung erteilt worden ist.

5. Bei Kenntniserlangung durch einen Dritten, daß die bei Übersendung des Kaufvertrags noch ausstehende Genehmigung zwischenzeitlich erteilt worden ist, wird die Frist des § 28 Abs 2 S 1 BauGB nicht in Lauf gesetzt.

6. Eine Entscheidung darüber, ob ein Grundstück nach § 26 Nr 4 BauGB entsprechend den Zielen und Zwecken einer städtebaulichen Maßnahme (hier Sanierung) bebaut ist und genutzt wird, setzt voraus, daß nach dem Stand der Planung der Verwendungszweck mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist und die Sanierungsziele eine so weitgehende Konkretisierung erfahren haben, daß eine Übereinstimmung der vorhandenen Bebauung mit diesen Zielen festgestellt werden kann. Dies kann auch schon vor dem nach § 33 BauGB maßgebenden Zeitpunkt der Fall sein.

Fundstellen ausblendenFundstellen

Abkürzung Fundstelle VGHBW-Ls 1996, Beilage 5, B 7

Verfahrensgang ausblendenVerfahrensgang

vorgehend VG Karlsruhe, 9. November 1993, Az: 1 K 761/92

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen zwei Widerspruchsbescheide des Landratsamts R., mit denen dieses Bescheide der Klägerin über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 BauGB aufgehoben hat.

2

Am 21.03.1991 schlossen die Volksbank W. als Eigentümerin und die Beigeladenen als Käufer zu je 1/2 Miteigentumsanteilen einen Kaufvertrag vor dem Notariat W. über die Grundstücke Flst.-Nrn. 471 u. 472 (B.straße 4) in W. zu einem Kaufpreis von 561.000,-- DM und einigten sich über den Eigentumsübergang. Flst.-Nr. 471 ist zum größten Teil bebaut; Flst.-Nr. 472 wird als Parkplatz für das Gebäude auf Flst.-Nr. 471 genutzt. Die Beigeladenen sind seit Ende 1977 Mieter des Erdgeschosses des von ihnen erworbenen Gebäudes, in dem sie ein Gardinenfachgeschäft betreiben, sowie der Parkplätze. Im Zusammenhang mit dem Abschluß des Mietvertrags verpflichtete sich die Volksbank W., ein Vorkaufsrecht zugunsten der Beigeladenen gem. § 1094 ff. BGB zu bestellen.

3

Die Grundstücke liegen in dem von der Klägerin durch Satzung vom 10.04.1990 förmlich festgelegten Sanierungsgebiet "S". Die Satzung wurde am 23.06.1990 in der W.er Rundschau öffentlich bekanntgemacht. Nach den vorbereitenden Untersuchungen ist das Gebäude B.straße 4 als erhaltenswert eingestuft; die bei der Substanzanalyse und Gestaltanalyse festgestellten Mängel sollen durch Instandsetzungsmaßnahmen bzw. Modernisierungsmaßnahmen beseitigt werden. Das unbebaute Grundstück Flst.-Nr. 472 soll nach der Sanierungsplanung überbaut werden.

4

Entsprechend der Schlußverfügung des Notars in dem Kaufvertrag vom 21.03.1991 unter 2.d, in der es heißt:" 1. begl. Abschrift Stadt W. - Kaufpreissammelstelle - u. gem. §§ 24 ff. BauGB mit der Bitte, dem Notariat Negativattest zu erteilen und Sanierungsstelle der Stadt gem. § 139 ff.", übersandte das Notariat W. der Stadt W. - Sanierungsstelle - eine am 28.03.1991 eingegangene beglaubigte Fotokopie des Kaufvertrags. In der Schlußverfügung heißt es ferner: "Soweit Genehmigungen, Zeugnisse und Bescheinigungen zu diesem Vertrag erforderlich sind, werden diese beantragt und der Notar beauftragt und ermächtigt, jedoch nicht verpflichtet, sie für die Parteien zu erwirken, entgegenzunehmen und an sich bekannt zu machen".

5

Am 14.05.1991 beschloß der Gemeinderat der Klägerin mehrheitlich, das Vorkaufsrecht an den Grundstücken Flst.-Nrn. 471 und 472 auszuüben. Mit Bescheid vom 16.05.1991 erklärte die Klägerin dementsprechend, sie übe das ihr gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zustehende gesetzliche Vorkaufsrecht bezüglich der in dem Vertrag vom 21.03.1991 genannten Grundstücke aus, da diese für Tauschzwecke innerhalb des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets "S" verwendet werden sollten. Zur Erreichung der Sanierungsziele müßten 15 Grundstückseigentümer Teile bebauter Grundstücke für eine öffentliche Nutzung abgeben und auf 31 Grundstücken unbewohnte Nebengebäude sowie 9 Wohngebäude abgebrochen werden. Die Beseitigung dieser städtebaulichen Mißstände werde durch die Ausübung des Vorkaufsrechts unterstützt, da die betreffenden Grundstücke für Austauschzwecke dienen könnten.

6

Die Beigeladenen legten dagegen am 31.05.1991 Widerspruch ein, den sie damit begründeten, daß ihre berechtigten Interessen mißachtet worden seien. Im Hinblick auf die langfristige Bindung in dem Mietvertrag und das vereinbarte Vorkaufsrecht hätten sie erhebliche Investitionen zum Aufbau ihres Geschäfts vorgenommen, die mit der Schließung des Betriebs zunichte gemacht würden. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, daß die Klägerin bereits Eigentümerin zahlreicher Grundstücke im Sanierungsgebiet sei. Schließlich sei auch § 26 Nr. 4 BauGB und die Tatsache, daß das vorhandene Gebäude in einem baulich einwandfreien Zustand und nach den Sanierungszielen erhaltenswert ist, nicht beachtet worden.

7

Laut Aktenvermerk vom 09.01.1992 teilte das Landratsamt R. der Klägerin mit, daß und warum es Bedenken gegen eine rechtswirksame Ausübung des Vorkaufsrechts habe und veranlaßte diese zu einer rechtlichen Überprüfung. Am 12.03.1992 teilte das Notariat W. der Klägerin mit, es stelle namens der Vertragsparteien fest, daß der Vertrag durch Fristablauf gem. § 145 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 S. 6 BauGB als genehmigt gelte und voll wirksam geworden sei. Mit Bescheid vom 25.03.1992 übte die Klägerin daraufhin das Vorkaufsrecht entsprechend dem Beschluß des Gemeinderats vom 24.03.1992 aus Rechtssicherheitsgründen mit der gleichen Begründung erneut aus. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beigeladenen am 02.04.1992 ebenfalls Widerspruch.

8

Das Landratsamt R. hob den Bescheid der Klägerin vom 16.05.1991 mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.1992 auf. Zur Begründung führte das Landratsamt aus: Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts sei das Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrags. Ein solcher liege erst dann vor, wenn die erforderlichen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Genehmigungen erteilt seien. Im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts habe jedoch die nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB notwendige sanierungsrechtliche Genehmigung der Gemeinde nicht vorgelegen. Auch die Genehmigungsfiktion des § 145 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit § 19 Abs. 3 BauGB sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten gewesen. Daher sei das ausgeübte Vorkaufsrecht wirkungslos.

9

Den Bescheid der Klägerin vom 25.03.1991 hob das Landratsamt R. mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.1992 mit der Begründung auf, dieser sei rechtswidrig, weil das Vorkaufsrecht erst nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB ausgeübt worden sei. Die Klägerin habe spätestens am 09.01.1992 vom Landratsamt Kenntnis über die Fiktion der erforderlichen sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 145 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 S. 6 BauGB mit Ablauf des 28.06.1991 und der damit eingetretenen Wirksamkeit des Kaufvertrags erlangt. Damit habe die zweimonatige Ausschlußfrist für die Ausübung des Vorkaufsrechts ab diesem Zeitpunkt (28.06.1991) zu laufen begonnen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts am 25.03.1992 sei daher erst nach Ablauf dieser Frist und damit verspätet erfolgt. Ein weiteres Beharren der Klägerin auf einer ausdrücklichen Mitteilung über den Eintritt der Fiktion der sanierungsrechtlichen Genehmigung sei in Anbetracht dessen, daß die Klägerin davon Kenntnis erlangt habe, rechtsmißbräuchlich.

10

Die Klägerin hat gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.05.1992 am 09.06.1992 und gegen den am 30.10.1992 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 19.10.1992 am 30.11.1992 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und die Aufhebung der beiden Widerspruchsbescheide beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Ausstehen der notwendigen sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 144 BauGB sei kein Hindernis für die Ausübung des Vorkaufsrechts. Zudem sei in der Ausübung des Vorkaufsrechts gleichzeitig die Genehmigung nach § 144 BauGB zu sehen, zumal § 145 BauGB eine Genehmigungsfiktion ausdrücklich zulasse. Jedenfalls sei die aus Rechtssicherheitsgründen erfolgte zweite Ausübung des Vorkaufsrechts am 25.03.1992 rechtmäßig. Die Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB zur Ausübung des Vorkaufsrechts sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen, da diese ausschließlich durch eine Mitteilung nach § 28 Abs. 1 BauGB in Gang gesetzt werde und eine sonstige Kenntniserlangung vom Kaufvertrag diese Frist nicht auslöse, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut eindeutig ergebe und der allgemeinen Ansicht entspreche.

11

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.11.1993 - 1 K 761/92 - entsprechend den Anträgen des Beklagten und der Beigeladenen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Die erstmalige Ausübung des Vorkaufsrechts sei rechtswidrig, weil damals noch kein rechtswirksamer Kaufvertrag vorgelegen habe. Einen solchen setze die Ausübung des Vorkaufsrechts jedoch voraus, d.h. es müßten erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigungen erteilt sein. Die hier nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung sei jedoch nie erteilt worden. Sie sei auch nicht etwa deshalb entbehrlich gewesen, weil die damit auszuübende Kontrolle denselben Zweck verfolge, wie er mit der Ausübung des Vorkaufsrechts beabsichtigt sei. Denn die Gemeinde sei, selbst wenn dies so wäre, nicht gehindert, eine Genehmigung nach § 145 Abs. 1 BauGB zu erteilen, um die Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts zu erhalten. Daher bestehe keine Notwendigkeit, von dem Rechtsgrundsatz, daß die Ausübung des Vorkaufsrechts einen rechtswirksamen Kaufvertrag voraussetze, abzuweichen. Auch könne in der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht konkludent eine schriftliche Genehmigung nach § 145 BauGB erblickt werden, da die Gründe in der Verfügung der Klägerin hierfür nichts hergäben. Zwar sei die Genehmigungsfiktion des § 145 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 S. 6 BauGB am 29.06.1991 eingetreten, die Verfügung vom 16.05.1991, mit der das Vorkaufsrecht ausgeübt worden sei, sei aber zeitlich vor dem Eintritt der Genehmigungsfiktion und damit in rechtlich unzulässiger Weise zu früh erfolgt. - Auch die am 25.03.1992 erfolgte wiederholte Ausübung des Vorkaufsrechts sei rechtswidrig, weil zu diesem Zeitpunkt die zweimonatige Ausübungsfrist des § 28 Abs. 2 BauGB bereits abgelaufen gewesen sei. Die Mitteilung des Verkäufers, die die zweimonatige Frist des § 28 Abs. 2 BauGB für die Ausübung des Vorkaufsrechts auslöse, sei vorliegend mit der Übersendung des Kaufvertrags an die Klägerin am 28.03.1991 erfolgt. Darin sei die Klägerin auf die Genehmigungsbedürftigkeit des Kaufvertrags nach den Vorschriften der §§ 139 ff. BauGB und auf die Bestimmungen der §§ 24 ff. BauGB hingewiesen worden. Zwar sei der Kaufvertrag im Zeitpunkt seiner Mitteilung mangels der erforderlichen Genehmigung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB noch nicht rechtswirksam gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe jedoch die Genehmigungsfrist des § 145 Abs. 1 BauGB zu laufen begonnen mit der Folge, daß die sanierungsrechtliche Genehmigung Ende Juni 1991 gem. § 145 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 S. 6 BauGB als erteilt gelte. Mit Eintritt dieser Fiktion habe die zweimonatige Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts zu laufen begonnen. Einer "erneuten" Mitteilung des Verkäufers an die Klägerin, daß der Kaufvertrag nunmehr als genehmigt gelte, habe es zur Auslösung der Frist des § 28 Abs. 2 BauGB nicht bedurft. Mit der Übersendung des Kaufvertrags sei nicht nur auf die Vorschriften des Baugesetzbuchs über das Vorkaufsrecht, sondern ausdrücklich auch auf die sanierungsrechtlichen Vorschriften hingewiesen worden. Daher sei mit der Übersendung des Kaufvertrags alles getan worden, was notwendig ist, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, über das Vorkaufsrecht zu entscheiden. Da der Zeitpunkt des Rechtswirksamwerdens des Kaufvertrags bereits bei dessen Übersendung bekannt gewesen sei, sei eine erneute Mitteilung des Kaufvertrags nicht erforderlich gewesen. Diese Rechtsauffassung werde auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, der darin bestehe, den Grundstücksverkehr nicht über Gebühr zu hemmen und baldigst klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, am ehesten gerecht.

12

Gegen das ihr am 02.12.1993 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.12.1993 Berufung eingelegt. Ergänzend trägt sie vor, das Verwaltungsgericht verkenne mit seiner Argumentation, das Genehmigungserfordernis nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB hindere die Gemeinde nicht, das Vorkaufsrecht auszuüben, daß es auch Fälle gebe, in denen die Genehmigung nach § 145 Abs. 2 BauGB nach pflichtgemäßem Ermessen zu versagen sei. Durch die Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung werde die Sanierung aber nicht in gleicher Weise gefördert wie durch die Ausübung des Vorkaufsrechts. Da beide Instrumente die Sanierung ermöglichen sollten, wäre es widersprüchlich, wenn die Gemeinde gezwungen wäre, das weniger weitreichende Mittel, die Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung, einzusetzen, das dann das weitreichendere Instrument, die Ausübung des Vorkaufsrechts, verhindern würde. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne aus dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 30.06.1994 (NVwZ 1995, 101) nicht hergeleitet werden, daß eine Ausübung des Vorkaufsrechts vor Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung rechtswidrig sei, da es in dem dort zu entscheidenden Sachverhalt darum gegangen sei, ob das Vorkaufsrecht vor Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung ausgeübt werden müsse, nicht dagegen ob es vorher ausgeübt werden könne. Im übrigen sei es, wenn man der Überlegung des Beklagten zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens durch die Gemeinde nach § 145 Abs. 2 BauGB folge, aber nur konsequent, wenn man in der Ausübung des Vorkaufsrechts zugleich die konkludente Erteilung der erforderlichen sanierungsrechtlichen Genehmigung sehe. Mit seiner Ansicht, daß eine erneute Mitteilung des Verkäufers an die Klägerin nach Eintritt der Genehmigungsfiktion zur Auslösung des Fristbeginns des § 28 Abs. 2 BauGB nicht erforderlich gewesen und die zweite Ausübung des Vorkaufsrechts daher rechtswidrig gewesen sei, verkenne das Verwaltungsgericht, daß die Mitteilungspflicht des § 28 Abs. 1 BauGB sich auf den rechtswirksamen Kaufvertrag beziehe, wie sich nicht nur aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, sondern auch aus ihrem Sinn und Zweck ergebe. Die Mitteilungspflicht entfalle auch nicht deshalb, weil die Klägerin die sanierungsrechtliche Genehmigung selbst zu erteilen gehabt habe, denn sie habe sich erst mit der Mitteilung des genehmigten Kaufvertrags darüber Gewißheit verschaffen können, daß die Vertragspartner ihn in der Zwischenzeit nicht aufgehoben haben. Auch folge dies aus der starken Formalisierung der Ausgestaltung des Vorkaufsrechts. Zudem sei dies auch deshalb erforderlich gewesen, weil die Wirksamkeit des Kaufvertrags auch von anderen, nicht von der Gemeinde zu erteilenden Genehmigungen abhängen könne. Im übrigen bestätige die Entscheidung des BGH vom 30.06.1994 ihre Auffassung, daß die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts erst mit der im Anschluß an die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung erfolgten Vorlage des Kaufvertrags zu laufen beginne. Im übrigen habe die Übersendung des Kaufvertrags durch den Notar lediglich den Zweck gehabt, ein Negativattest zu erreichen und sei nicht an die für die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständige Stelle gerichtet gewesen. Der Vorwurf der Beigeladenen, daß die wiederholte Ausübung des Vorkaufsrechts treuwidrig gewesen sei, entbehre jeder Tatsachenbasis. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei nach § 24 Abs. 3 BauGB auch materiell-rechtlich gerechtfertigt, da die Grundstücke zu Tauschzwecken benötigt würden. Es sei bei der Ausübung des Vorkaufsrechts bereits konkret die Möglichkeit eines Tausches mit dem Nachbargrundstück Flst.-Nr. 470 in Betracht gezogen worden, das teilweise als Gehwegfläche benötigt werde. Andere zu Tauschzwecken geeignete Grundstücke stünden im Sanierungsplangebiet nicht zur Verfügung. Auf Tauschgrundstücke außerhalb dieses Gebiets müsse sich die Gemeinde nicht verweisen lassen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei auch nicht nach § 26 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen. Ob die streitigen Grundstücke entsprechend den Zielen und Zwecken der beabsichtigten Sanierung bebaut seien und genutzt würden, könne, wenn - wie hier - ein Sanierungsbebauungsplan aufgestellt werden solle, erst dann mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, wenn der Sanierungsbebauungsplan einen Verfahrensstand erreicht habe, der eine Entscheidung nach § 33 BauGB zulasse. Dies sei jedoch nicht der Fall, da bislang noch keine Auslegung des Bebauungsplanentwurfs nach § 3 Abs. 2 BauGB erfolgt sei. Ein solches Planungsstadium sei auch deshalb zu verlangen, weil in Sanierungsgebieten auch die erste Alternative des § 26 Nr. 4 BauGB Anwendung finde und die zweite Alternative daher auf sonstige Fälle, bei denen die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht beabsichtigt ist, beschränkt sei. Abgesehen davon entspreche, auch wenn man von einer hinreichenden Konkretisierung der Sanierungsziele ausgehe, die vorhandene Bebauung und Nutzung der streitigen Grundstücke nicht den Zielen der Sanierung, da die Sanierung eine Nutzung dieser Grundstücke als Tauschobjekt für das Nachbargrundstück Flst.-Nr. 470 erfordere. Denn eine Enteignung dieses teilweise als Gehwegfläche benötigten Grundstücks dürfte scheitern, sofern kein Ersatzland zur Verfügung gestellt werde, insbesondere wenn ein solches in Gestalt der streitigen Grundstücke in unmittelbarem Anschluß daran vorhanden sei. Zudem seien die beiden Grundstücke Flst.-Nrn. 471 und 472 als wirtschaftliche Einheit zu sehen und könnten daher bei der Prüfung einer Übereinstimmung mit den Festsetzungen des Bebauungsplanentwurfs im Rahmen des § 26 Nr. 4 BauGB auch nicht getrennt betrachtet werden. Das bislang unbebaute Grundstück Flst.-Nr. 472 sei aber in keinem Fall entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanentwurfs bebaut. Hinzu komme, daß sich auf diesem Grundstück die Stellplätze für das Grundstück Flst.-Nr. 471 befänden, was bei einer künftigen Bebauung der beiden Grundstücke eine einheitliche Lösung erfordere. Ferner sei auch das Grundstück Flst.-Nr. 471 nicht entsprechend den Zielen und Zwecken der Sanierung bebaut, da der Bebauungsplanentwurf eine geschlossene Bebauung vorschreibe, das auf diesem Grundstück vorhandene Gebäude jedoch in seiner auf der Grenze zu Flst.-Nr. 472 stehenden Außenwand notwendige Fenster habe. Die Beigeladenen könnten die Ausübung des Vorkaufsrechts auch nicht dadurch abwenden, daß sie sich nach der Erörterung dieser Frage in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.1995 zu einer den Festsetzungen des Bebauungsplanentwurfs entsprechenden Bebauung bereiterklärt hätten, da diese Erklärung nicht innerhalb der Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB erfolgt sei.

13

Die Klägerin beantragt,

14

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 09.11.1993 - 1 K 761/92 - zu ändern und die Widerspruchsbescheide des Landratsamts R. vom 18.05.1992 und vom 19.10.1992 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Auch wenn die mit der sanierungsrechtlichen Genehmigung auszuübende Kontrolle tendenziell denselben Zweck verfolge wie die Ausübung des Vorkaufsrechts, habe der Gesetzgeber insoweit ein in verfahrenstechnischer und zeitlicher Hinsicht zweistufiges Verfahren vorgesehen und bei der Ausübung des Vorkaufsrechts keine Ausnahme von dem Erfordernis des Vorliegens einer sanierungsrechtlichen Genehmigung gemacht. Der Zweck, die Sanierung zu fördern, werde auch durch die Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung erreicht. Abgesehen davon könne es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 145 Abs. 2 BauGB durchaus gerechtfertigt sein, daß die Gemeinde die sanierungsrechtliche Genehmigung nicht erteilte, um von dem weitreichenderen Mittel des Vorkaufsrechts Gebrauch machen zu können. Dieser Rechtsgedanke liege auch der gesetzlichen Regelung des § 144 Abs. 4 Nr. 1 BauGB zugrunde. Die vom Landratsamt vertretene Auffassung, daß die Ausübung des Vorkaufsrechts vor Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung rechtswidrig sei, werde im übrigen durch den Beschluß des BGH vom 30.06.1994 bestätigt. Bezüglich des Laufs der Zweimonatsfrist für die Ausübung des Vorkaufsrechts ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Genehmigungsfiktion mache sich das Landratsamt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen. Was die materielle Rechtmäßigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts anlange, dürfe davon auszugehen sein, daß kein Widerspruch von Bebauung und Nutzung der Grundstücke Flst.-Nrn. 471 u. 472 zu den erkennbaren Zielen und Zwecken der Sanierung festzustellen sei. In einem solchen Fall, in dem das Grundstück im Einklang mit den primären Sanierungszielen bebaut und genutzt werde, sei eine Gemeinde gehindert, von dem ihr sonst in Sanierungsgebieten grundsätzlich zustehenden Recht, zur Beschaffung von Austauschland und Ersatzland das Vorkaufsrecht auszuüben, Gebrauch zu machen. Im übrigen erlösche das Abwendungsrecht nach § 27 Abs. 2 BauGB erst mit der Unanfechtbarkeit des Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts, da die Ausübung des Vorkaufsrechts erst damit ihren Abschluß finde, so daß die Beigeladenen sich auch derzeit noch zu entsprechenden Maßnahmen verpflichten könnten.

18

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie führen aus: Die Zielrichtung der Regelung des § 24 BauGB und des § 144 BauGB sei unterschiedlich, weshalb es vor Ausübung des Vorkaufsrechts durchaus der sanierungsrechtlichen Genehmigung bedürfe und diese auch nicht konkludent erteilt werden könne. Der Hinweis der Klägerin, einer nochmaligen Mitteilung des nach Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 145 Abs. 1 S. 2 BauGB wirksam gewordenen Kaufvertrags habe es deshalb bedurft, weil sie erst dadurch Gewißheit darüber habe erlangen können, daß die Vertragspartner den Vertrag nicht wieder aufgehoben haben, greife nicht durch, weil die Klägerin im vorliegenden Fall gewußt habe, daß die Beigeladenen an dem abgeschlossenen Vertrag festhalten und dies auch am 02.07.1991 gegenüber dem Beigeordneten der Klägerin, Herrn M., nach Fristablauf zum Ausdruck gebracht hätten. Für die Notwendigkeit einer nochmaligen Mitteilung des Vertrags könne auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.06.1994 nichts hergeleitet werden, weil dieser Fall sich von dem vorliegenden nach seinem tatsächlichen Geschehensablauf wesentlich unterscheide. Hinzu komme, daß die Klägerin in voller Kenntnis über den gesamten Sachverhalt gewesen sei, weshalb eine nochmalige Mitteilung des Kaufvertrags entbehrlich gewesen sei. Entgegen dem Vortrag der Klägerin sei der Kaufvertrag sowohl an die für die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständige Stelle als auch an die für die sanierungsrechtliche Genehmigung zuständige Stelle übersandt worden. Die gesamte Verwaltungsspitze der Klägerin und auch deren Bürgermeister hätten davon Kenntnis genommen und seien mit der Bearbeitung des Vorgangs befaßt gewesen. Im übrigen sei die Klägerin am 09.01.1992 vom Landratsamt über die Rechtslage informiert worden. Die weitere Behandlung des Verfahrens sei abgesprochen und die erneute Mitteilung des Kaufvertrags durch den Notar bestellt gewesen. Dies sei jedoch treuwidrig. Auch sei die Ausübung des Vorkaufsrechts zu Tauschzwecken nicht gerechtfertigt gewesen. Denn die von ihr erworbenen Grundstücke hätten ganz konkret als Tauschobjekt für das Grundstück Flst.-Nr. 470 dienen sollen. Dessen Eigentümer sei zu einem Tausch aber von Anfang an nicht bereit gewesen, worauf die Klägerin hingewiesen worden sei. Außerdem verfüge die Klägerin über eine Vielzahl sonstiger Tauschgrundstücke, mindestens außerhalb des Sanierungsgebiets. Schließlich werde hierfür auch nur ein Teil des Flurstücks Nr. 470 benötigt, weshalb die Ausübung des Vorkaufsrechts auch auf eine entsprechend begrenzte Fläche hätte beschränkt werden müssen. Das Grundstück Flst.-Nr. 471 sei im übrigen entsprechend den von der Klägerin vorgegebenen Zielen bebaut und werde auch entsprechend genutzt. Aufgrund der von ihnen getätigten Investitionen weise das Gebäude einen hohen Substanzwert auf. Ein darüber hinausgehender ideeller Wert komme dem Gebäude nicht zu. Daß ein Sanierungsbebauungsplan bisher noch nicht erlassen sei, stehe der Bestimmbarkeit einer beabsichtigten Bebauung und Nutzung nicht entgegen. Dies ergebe sich auch aus § 27 Abs. 1 S. 1 BauGB, wonach eine mit ausreichender Sicherheit gegebene Bestimmbarkeit genüge. Wenn insoweit strengere Anforderungen gestellt würden, könnte eine Gemeinde durch das Hinausschieben der Planreife andernfalls die dem Käufer eingeräumte Abwendungsbefugnis weitgehend unterlaufen. Bezüglich des unbebauten Grundstücks Flst.-Nr. 472 hätte die Klägerin ihnen gegenüber im Zusammenhang mit der Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung eine Auflage zur Überbauung dieses Grundstücks erlassen können, wozu sie bereit gewesen wären und sich auch bereit erklärt hätten. Im übrigen hätten sie von der durch § 27 Abs. 1 BauGB eingeräumten Abwendungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Dieses Recht stehe ihnen bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts zu. Die Klägerin habe erstmals in der mündlichen Verhandlung am 20.09.1995 darauf hingewiesen, daß eine Bebauung des Grundstücks Flst.-Nr. 472 vorgesehen sei. Unmittelbar danach habe sie aber dem Bebauungsplanentwurf entsprechende Baupläne eingereicht.

21

Dem Senat liegen neben den Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe die einschlägigen Akten der Klägerin und des Landratsamts R., die Bauakten der Klägerin zum Umbau eines Wohnhauses und Geschäftshauses auf Flst.-Nr. 471 und 472 sowie 1 Band Akten mit der Satzung über das Sanierungsgebiet "S", dem Ergebnis der vorbereitenden Untersuchung für diese Sanierung samt Plänen und dem Bebauungsplanentwurf "S" samt Begründung vor. Ferner liegen ein Plan mit den im Sanierungsgebiet liegenden, im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücken sowie der Mietvertrag der Beigeladenen mit der Volksbank W. samt Schriftverkehr und deren Bauantrag vom 30.10.1995 zum Bau eines Wohnhauses und Geschäftshauses auf dem Grundstück B.straße 4 vor. Auf den Inhalt dieser Akten sowie der Berufungsakten wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht sowohl insoweit abgewiesen, als sie sich gegen den Widerspruchsbescheid des Landratsamts R. vom 18.05.1992 wie gegen dessen Widerspruchsbescheid vom 19.10.1992 richtet. Beide Widerspruchsbescheide des Landratsamts sind im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

23

I. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 18.05.1992 hat das Landratsamt zu Recht den Bescheid der Klägerin vom 16.05.1991 über die Ausübung des Vorkaufsrechts an den Grundstücken Flst.-Nrn. 471 und 472 aufgehoben, da diese Maßnahme rechtswidrig ist.

24

1. Zutreffend sind Landratsamt und Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 04.06.1954, BGHZ 14, 1 = NJW 1954, 1442; vom 20.02.1957, BGHZ 23, 342 = NJW 1957, 830; vom 15.06.1960, BGHZ 32, 383 = NJW 1960, 1808; vom 11.02.1977, BGHZ 67, 395 = NJW 1977, 762; vom 09.02.1990, BGHZ 110, 230 = NJW 1990, 1473 u. vom 29.09.1972, BRS 25 Nr. 100; ebenso VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.07.1984 - 5 S 1917/83 -, BRS 42 Nr. 110), der sich die Literatur angeschlossen hat (vgl. z.B. Roos in Brügelmann, Baugesetzbuch § 24 RdNr. 12; Lemmel, Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Aufl., § 28 RdNr. 2 u. Dyong/Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB-Kommentar, § 24 RdNr. 29 jew. m.w.N.), die Ausübung des Vorkaufsrechts einen rechtswirksamen Kaufvertrag voraussetzt. Das bedeutet, daß die notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen erteilt sein müssen, bevor das Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der zwischen der Volksbank W. und den Beigeladenen abgeschlossene Kaufvertrag vom 21.03.1991 bedurfte unstreitig einer sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 142 Abs. 2 Nrn. 1 u. 3 BauGB, da die Grundstücke in dem von der Klägerin durch Satzung vom 10.04.1990 förmlich festgelegten Sanierungsgebiet "S" liegen, gegen deren Gültigkeit Bedenken weder ersichtlich sind noch geltend gemacht wurden. Eine sanierungsrechtliche Genehmigung war im Zeitpunkt der (erstmaligen) Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin am 16.05.1991 aber weder ausdrücklich erteilt noch wurde eine solche Erteilung nach § 145 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 4-6 BauGB fingiert, da die dreimonatige Genehmigungsfrist noch nicht abgelaufen war. Das hat zur Folge, daß das gesetzliche Vorkaufsrecht am 16.05.1991 noch gar nicht bestand. Die gleichwohl erfolgte Ausübung des Vorkaufsrechts ist demgemäß rechtswidrig, da nach diesem Bescheid mit der Erklärung des Vorkaufsrechts Rechtswirkungen eintreten sollten, die nicht eintreten konnten, weil die dafür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren.

25

2. Die sanierungsrechtliche Genehmigung war auch nicht ausnahmsweise nach § 144 Abs. 3 oder 4 BauGB mit der Folge entbehrlich, daß der Vertrag einer entsprechenden Genehmigung nicht bedurft hätte und ohne eine solche wirksam geworden wäre. Denn die Voraussetzungen dieser Tatbestände liegen nicht vor.

26

a.) Dies gilt insbesondere für § 144 Abs. 4 Nr. 1 BauGB. Danach bedürfen Vorhaben keiner Genehmigung, wenn die Gemeinde als Vertragsteil oder Eigentümer beteiligt ist. Denn die Gemeinde ist im vorliegenden Fall nicht Vertragsteil.

27

Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Fälle, in denen durch die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ein Vertrag mit der Gemeinde zustande kommt und die Gemeinde dadurch nachträglich Vertragsteil wird, ist nicht möglich. Denn jede Analogie setzt eine Regelungslücke voraus. Eine solche ist aber nicht gegeben. Vielmehr wäre es Sache des Gesetzgebers, wenn er diese abweichende Fallgestaltung gleichstellen will, eine entsprechende ausdrückliche gesetzliche Regelung zu treffen. Eine solche ausdrückliche Regelung ist auch deshalb zu verlangen, weil hierdurch das Verhältnis der vom Gesetzgeber zum Zwecke der Förderung und Erleichterung der Sanierung zur Verfügung gestellten Möglichkeiten und Mittel, die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB einerseits und die Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung nach §§ 144, 145 BauGB andererseits, betroffen ist. Das Unterbleiben einer derartigen Regelung spricht im Gegenteil dafür, daß die beiden sanierungsrechtlichen Instrumentarien getrennt und unabhängig voneinander sind.

28

b. Auch kann eine für die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Veräußerung bzw. des Verkaufs eines Grundstücks in einem Sanierungsgebiet nach § 144 Abs. 2 Nrn. 1 u. 3 BauGB erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung bei Ausübung des Vorkaufsrechts durch eine Gemeinde entgegen dem Wortlaut nicht im Hinblick darauf für entbehrlich angesehen werden wie Gaentzsch (Baugesetzbuch, 1991, § 24 RdNr. 11) - auf den sich die Klägerin berufen hat - meint, daß die mit der sanierungsrechtlichen Genehmigung auszuübende Kontrolle denselben Zweck verfolge wie die Ausübung des Vorkaufsrechts und es keinen Sinn ergäbe, wenn die Gemeinde an der Ausübung des Vorkaufsrechts zur Förderung der Sanierung gehindert wäre, weil sie dem Kaufvertrag gem. § 145 Abs. 2 BauGB die Genehmigung versagen müßte. Denn eine solche Ausnahme von der im Gesetz vorgesehenen Genehmigungspflicht müßte angesichts der klaren gesetzlichen Regelung der Gesetzgeber treffen. Sie ist nicht im Wege der Auslegung möglich, da insoweit keine widersprüchliche oder lückenhafte gesetzliche Regelung vorliegt.

29

Das Baugesetzbuch sieht zur Sicherung und Förderung der Sanierung im Falle der rechtsgeschäftlichen Veräußerung bzw. des rechtsgeschäftlichen Verkaufs eines im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zwei Instrumentarien vor: Die Versagung der notwendigen sanierungsrechtlichen Genehmigung und die Ausübung des Vorkaufsrechts. Der Einsatz dieser rechtlichen Möglichkeiten hängt von unterschiedlichen Voraussetzungen ab (§ 145 Abs. 2 BauGB einerseits und § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB andererseits); vor allem führen die danach möglichen Maßnahmen aber zu anderen Rechtsfolgen (Nichtzustandekommen des Vertrags mit eventuellem Übernahmeantrag des Verkäufers nach § 145 Abs. 5 BauGB einerseits und Zustandekommen eines Vertrags zwischen Verkäufer und Gemeinde andererseits). Diese beiden Möglichkeiten sind vom Gesetzgeber als unterschiedlich ausgestaltete, nebeneinander stehende, rechtlich selbständige Instrumentarien geschaffen worden (vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 30.06.1994, NVwZ 1995, 101 und Dyong/Stock a.a.O., § 24 BauGB RdNr. 39). Dabei ist auch die Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung bei Vorliegen der in § 145 Abs. 2 BauGB genannten Voraussetzungen als voll wirksamer und ausreichende Schutz zur Förderung der Sanierung durch die Gemeinde anzusehen. Im Hinblick darauf geht es nicht an, das Vorliegen einer sanierungsrechtlichen Genehmigung für die Rechtsgültigkeit eines Kaufvertrags in diesen Fällen für entbehrlich zu erklären, da dies dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes widerspräche. Eine solche - durchaus erwägenswerte - Entscheidung ist vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten.

30

Da es in § 144 Abs. 4 Nr. 1 BauGB ebenfalls an einer entsprechenden Regelung fehlt, hilft auch der Hinweis von Gaentzsch, a.a.O., darauf, daß nach dieser Vorschrift der Kauf, der aufgrund der Vorkaufsrechtsausübung mit der Gemeinde zustandekommen soll, der Genehmigung nicht bedarf, nicht weiter, wie unter a. bereits dargelegt worden ist (so im Ergebnis auch Lemmel, a.a.O., § 24 Rdnr. 11 u. § 28 Rdnr. 2 m.w.N. sowie Roos, a.a.O., § 24 RdNrn. 12, 31 u. 75).

31

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann in der Ausübung des Vorkaufsrechts auch keine konkludente Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung gesehen werden. Diese Genehmigung ist nach § 144 Abs. 2 BauGB schriftlich zu erteilen. Der Bescheid der Klägerin über die Ausübung des Vorkaufsrechts vom 16.05.1991 geht aber mit keinem Wort auf das Erfordernis und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine sanierungsrechtliche Genehmigung ein und läßt damit für den Empfänger und davon Betroffenen in keiner Weise erkennen, daß damit zugleich die erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung erteilt werden sollte (vgl. dazu auch § 39 LVwVfG).

32

II. Auch der Widerspruchsbescheid des Landratsamts R. vom 19.10.1992, durch den es den Bescheid der Klägerin vom 25.03.1992 über die (nochmalige) Ausübung des Vorkaufsrechts aufgehoben hat, ist im Ergebnis rechtmäßig. Zwar hat die Klägerin das Vorkaufsrecht entgegen der Auffassung des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts rechtzeitig innerhalb der Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB und auch ordnungsgemäß ausgeübt (1.). Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist jedoch materiell rechtswidrig (2.).

33

1. Die erneute Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Bescheid vom 25.03.1992 erfolgte innerhalb der Zweimonatsfrist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB, da diese Frist erst mit der nochmaligen Übersendung des Kaufvertrags an die Klägerin durch das Notariat W. am 12.03.1992 zu laufen begann.

34

a. Diese Frist beginnt nach § 28 Abs. 1 S. 1 BauGB mit der Mitteilung des Inhalts des Kaufvertrags an die Gemeinde durch den Verkäufer oder den Käufer. Der Gemeinde ist der Inhalt des Vertrags unter Hinweis auf das Vorkaufsrecht und den Zweck der Vorlage mitzuteilen, insbesondere wenn die Vorlage in anderem Zusammenhang an eine nicht zur Ausübung des Vorkaufsrechts zuständige Dienststelle erfolgt (BGH, Urt. v. 26.01.1973, BGHZ 60, 275 = NJW 1973, 1278; Roos a.a.O. § 28 RdNrn. 3 u. 5; Dyong a.a.O. § 28 RdNr. 3). Mitzuteilen sind auch alle Wirksamkeitsvoraussetzungen. Wird ein noch genehmigungsbedürftiger Kaufvertrag übersandt, muß zu gegebener Zeit die Erteilung der Genehmigung mitgeteilt werden; erst dann beginnt die Frist zu laufen. Dies gilt auch dann, wenn die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde eine Dienststelle der vorkaufsberechtigten Gemeinde ist, da diese insoweit keine eigenen Ermittlungen anzustellen braucht (vgl. zu alledem BGH, Urt. v. 20.02.1957, BGHZ 23, 342 = NJW 1957, 830; vom 15.06.1960, BGHZ 32, 375 = NJW 1960, 1805 (1808); vom 29.09.1972, BRS 25 Nr. 100; vom 03.06.1966, WM 1966, 891; vom 26.01.1973 BGHZ 60, 275 = NJW 1973, 1278 sowie Beschluß vom 30.06.1994, NVwZ 1995, 101; Roos a.a.O. § 28 RdNrn. 2, 3, 5 u. 12; Lemmel, a.a.O., § 28 Rdnrn. 4 u. 6; Dyong a.a.O. § 28 RdNrn. 1, 3 u. 16).

35

b. Daraus folgt, daß die vom Notariat W. in Auftrag der Vertragsparteien am 28.03.1991 vorgenommene Übersendung des Vertrags an die Klägerin nicht geeignet war, die Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB auszulösen. Denn der Vertrag war damals - wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt - mangels Vorliegens der erforderlichen sanierungsrechtlichen Genehmigung noch nicht wirksam, weshalb damals auch eine Mitteilung der Wirksamkeitsvoraussetzungen des Vertrags insbesondere des Vorliegens einer sanierungsrechtlichen Genehmigung, nicht erfolgen konnte. Abgesehen davon war die Übersendung des Vertrags nach der bei den Akten der Klägerin befindlichen Kopie auch an die Sanierungsstelle der Klägerin und nicht an die zur Ausübung des Vorkaufsrechts zuständige Stelle adressiert. Ob dies für den Fristlauf unschädlich ist, weil der Vertrag - wie die Vorkaufsrechtsausübung zeigt - zu der für die Vorkaufsrechtsausübung zuständigen Stelle gelangt ist, kann offen bleiben. Denn die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts begann jedenfalls erst mit der Mitteilung durch den Verkäufer oder Käufer an die Klägerin, daß die sanierungsrechtliche Genehmigung zwischenzeitlich erteilt wurde oder als erteilt gilt und das Vorkaufsrecht nunmehr ausgeübt werden kann, zu laufen. Einer bestimmten Form bedurfte diese Mitteilung nicht, vielmehr konnte sie auch mündlich erfolgen (BGH, Urt. v. 23.05.1959, MDR 1959, 649; Lemmel a.a.O. § 28 RdNr. 4; Roos a.a.O. § 28 RdNr. 4 m.w.N.). Eine solche Mitteilung durch Verkäufer oder Käufer ist jedoch vor dem 12.03.1992 nicht erfolgt.

36

c. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß es einer solchen Mitteilung nicht bedurft habe, weil die Klägerin mit der Übersendung des Vertrags über alle Umstände informiert worden sei, die für die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung und für die Ausübung des Vorkaufsrechts von Belang waren, und sie sowohl die Genehmigungsfiktion des § 145 Abs. 1 S. 2 BauGB wie das Verstreichen dieser Dreimonatsfrist gekannt habe, ist mit der dargelegten, von der Literatur geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar. Dieser Auffassung ist auch zu folgen. Da durch die Mitteilung des Inhalts des Kaufvertrags eine Ausschlußfrist in Gang gesetzt wird, sind insoweit aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit strenge Anforderungen zu stellen. Damit wäre es aber insbesondere bei einer großen aufgefächerten Verwaltung nicht vereinbar, wenn von der für die Bearbeitung der Vorkaufsrechtsfälle zuständigen Stelle verlangt würde, daß sie den Vorgang aktenmäßig unter Kontrolle hält und von sich aus Erhebungen darüber anstellt, ob die von anderen Dienststellen zu erteilenden Genehmigungen, ausgesprochen worden sind. Vielmehr hat das Gesetz dem Verkäufer bzw. Käufer die Verantwortung für die Mitteilung der für die Ausübung des Vorkaufsrechts erforderlichen Voraussetzungen auferlegt, wozu auch die Mitteilung der zur Wirksamkeit des Vertrags erforderlichen Genehmigungen gehört.

37

Die Beigeladenen haben zwar darauf hingewiesen, daß am 02.07.1991 mit dem Beigeordneten M. ein ausführliches Gespräch stattgefunden habe, bei dem sie zum Ausdruck gebracht hätten, daß sie trotz der aufgetretenen Schwierigkeiten an dem Vertrag festhalten würden. Zu diesem Zeitpunkt galt die sanierungsrechtliche Genehmigung auch bereits als erteilt, da die an die Sanierungsstelle der Klägerin übersandte Kopie des Kaufvertrags am 28.03.1991 bei der Klägerin eingegangen ist und weder die dreimonatige Frist für die Erteilung der Genehmigung verlängert noch die Genehmigung versagt worden ist (vgl. § 145 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 4-6 BauGB). Auch ist von der Stellung eines sanierungsrechtlichen Antrags, an dessen Inhalt und Form keine besonderen Anforderungen zu stellen sind, auszugehen, da es am Ende des übersandten Vertrags heißt, daß Genehmigungen, soweit sie zu dem Vertrag erforderlich sind, beantragt und der Notar beauftragt und ermächtigt wird, sie für die Parteien zu erwirken. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, daß die Beigeladenen bei dem Gespräch mit Bürgermeister M. darauf hingewiesen haben, daß die sanierungsrechtliche Genehmigung nunmehr als erteilt gilt und der Vertrag damit wirksam wurde und die Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB für die Ausübung des Vorkaufsrechts zu laufen beginnt. Insbesondere enthält der den Beigeladenen zugänglich gemachte Aktenvermerk der Klägerin über dieses Gespräch nichts darüber. Auch ist wenig wahrscheinlich, daß eine solche Mitteilung erfolgt ist, da damals weder den Vertragsparteien noch der Klägerin das Erfordernis der Wirksamkeit des Vertrags und der Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung für die Ausübung des Vorkaufsrechts bekannt war. Darauf ist vielmehr erst das Landratsamt im Rahmen des Widerspruchsverfahrens im Januar 1992 gekommen. Die Beigeladenen haben im übrigen auch nicht behauptet, eine solche konkrete Mitteilung bei diesem Gespräch oder danach gegenüber der Klägerin gemacht zu haben (vgl. dazu auch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20.09.1995, AS . 127/131).

38

d. Auch der Auffassung des Landratsamts, die Ausschlußfrist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB habe jedenfalls spätestens am 09.01.1992 zu laufen begonnen, da es die Klägerin damals auf die Problematik und darauf, daß die sanierungsrechtliche Genehmigung seit Ende Juni 1991 als erteilt gilt, aufmerksam gemacht habe, kann nicht gefolgt werden. Denn der Beginn der Ausschlußfrist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB verlangt eine Mitteilung durch den Verkäufer oder Käufer (§ 28 Abs. 1 S. 1 BauGB). Im Fall der Kenntniserlangung durch einen Dritten kann die Gemeinde zwar das Vorkaufsrecht ausüben; die Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB wird dadurch jedoch nicht in Lauf gesetzt (vgl. Roos a.a.O. § 28 RdNr. 7 m.w.N.; Dyong a.a.O. § 28 RdNr. 1) Davon, daß die Ausübung des Vorkaufsrechts auch unabhängig davon rechtsmißbräuchlich ist, wie das Landratsamt ergänzend anklingen läßt, kann keine Rede sein, da die Klägerin das Vorkaufsrecht ja bereits ausgeübt hat und nie den Anschein und ein entsprechendes Vertrauen erweckt hat, daß sie im Falle einer Rechtswidrigkeit der erstmaligen Ausübung des Vorkaufsrechts auf das Vorkaufsrecht verzichten werde.

39

e. Dem Einwand der Beigeladenen, diese erneute Mitteilung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, da sie nach dem aus dem Inhalt der Akten ersichtlichen Verfahrensablauf von der Klägerin "bestellt" worden sei, um eine erneute Ausübungsfrist in Gang zu setzen und die sonstigen am Vorgang Beteiligten ihr Verhalten zum Nachteil der Beigeladenen abgestimmt hätten, kann nicht gefolgt werden. Ob dies so war oder nicht, kann offen bleiben. Denn die nochmalige Übersendung des Vertrags könnte nur dann treuwidrig sein, wenn die Ausschlußfrist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB bereits abgelaufen und hierdurch erneut eine Frist (zum Nachteil der Beigeladenen) in Gang gesetzt worden wäre. Dies ist nach dem Dargelegten aber nicht der Fall.

40

Auch der Hinweis der Beigeladenen, die Klägerin sei im Zeitpunkt der erneuten Ausübung des Vorkaufsrechts im Grundbuch bereits als Eigentümerin eingetragen gewesen, steht einer Vorkaufsrechtsausübung nicht entgegen. Denn die Ausübung des Vorkaufsrechts bezieht sich auf den schuldrechtlichen Vertrag (vgl. § 24 Abs. 1 BauGB) und bildet die Rechtsgrundlage für eine Eigentumsübertragung. Eine rechtswirksame Ausübung des Vorkaufsrechts bezüglich des Kaufvertrags lag aber damals, abgesehen davon, daß die Eigentumsübertragung auch zu Unrecht erfolgt und in der Zwischenzeit berichtigt ist, noch nicht vor.

41

f. Das Vorkaufsrecht wurde von der Klägerin auch im übrigen ordnungsgemäß durch schriftlichen Bescheid gegenüber der Verkäuferin, der Volksbank W., unter Angabe des Verwendungszwecks der Grundstücke ausgeübt (vgl. § 24 Abs. 3 S. 2 u. § 28 Abs. 2 BauGB). Das Landratsamt hat daher den Bescheid der Klägerin über die Ausübung des Vorkaufsrechts zu Unrecht wegen der Versäumung der Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB als verspätet aufgehoben.

42

2. Das führt allerdings nicht dazu, daß der Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zu entsprechen ist. Denn die Entscheidung des Landratsamts ist jedenfalls im Ergebnis rechtmäßig, weil die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vorliegen. Dies ist vom Senat zu prüfen, auch wenn weder das Landratsamt noch das Verwaltungsgericht darauf eingegangen sind, weil die Widerspruchsentscheidung des Landratsamts in einer Selbstverwaltungsangelegenheit der Klägerin ergangen ist, bei der die Widerspruchsbehörde auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt ist (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 AGVwGO), mit der Folge daß die Entscheidung der Widerspruchsbehörde vom Gericht uneingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen ist.

43

a. Nach § 24 Abs. 3 BauGB darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Als Verwendungszweck hat die Gemeinde gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB angegeben, die Grundstücke sollten für Tauschzwecke innerhalb des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets "S" verwendet werden. Unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 07.03.1975, BRS 29 Nr. 76 = DVBl. 1975, 487, wird es innerhalb eines Sanierungsgebiets im allgemeinen für zulässig angesehen, wenn die Gemeinde im Wege der Ausübung des Vorkaufsrechts Grundstücke an sich zieht, die sie als Ersatzland oder Austauschland für Grundstücke benötigt, auf denen Vorhaben für den Gemeinbedarf oder andere Zwecke der Allgemeinheit verwirklicht werden sollen. Allerdings bedarf dies einer besonders sorgfältigen Prüfung, wenn nach dem Sanierungsplan oder einem in der Aufstellung begriffenen Bebauungsplan - wie hier - für das Grundstück eine "privatnützige" Bebauung vorgesehen ist (Lemmel a.a.O. § 24 RdNrn. 14 u. 18; ferner Dyong/Stock a.a.O. § 24 RdNr. 43). In diesem Zusammenhang ist ferner zu beachten, daß zwischen der Regelung des § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB, wonach das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden darf, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt, und den in § 26 BauGB genannten Ausschlußgründen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Der Katalog der in § 26 BauGB ausdrücklich aufgeführten Ausschlußtatbestände konkretisiert Beispielsfälle, in denen das Allgemeinwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts typischerweise nicht rechtfertigt. Er bietet für die Anwendung des § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB ebenfalls einen gewichtigen Orientierungspunkt (BVerwG, Beschl. v. 29.06.1993- 4 B 100/93 -, NVwZ 1994, 284 = ZfBR 1993, 303 = DÖV 1994, 39; Roos a.a.O. § 26 RdNr. 1: Lemmel a.a.O. § 26 RdNr. 7, Gaentzsch a.a.O., § 26 RdNr. 1; Dyong/Stock a.a.O. § 24 RdNr. 43).

44

b) Für das bebaute Grundstück Flst.-Nr. 471 greift der Ausschlußtatbestand des § 26 Nr. 4, 2. Alternative BauGB ein. Danach ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme (hier: der Sanierung) bebaut ist und genutzt wird. Davon ist bezüglich dieses Grundstücks auszugehen.

45

aa) Der Auffassung der Klägerin, daß in den Fällen, in denen die Aufstellung eines Sanierungsbebauungsplans beabsichtigt ist, die Ziele und Zwecke der Sanierung erst dann hinreichend konkretisiert seien, wenn der Sanierungsbebauungsplan einen solchen Verfahrensstand erreicht hat, daß eine Entscheidung nach § 33 BauGB in Betracht kommt, ist nicht zu folgen.

46

Dagegen spricht bereits der Wortlaut, der eine solche, gesetzestechnisch ohne Schwierigkeiten zu machende Einschränkung nicht enthält (vgl. dazu, wenn auch mit anderer Zielrichtung, z.B. § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB-MaßnahmenG). Eine solche (enge) Auslegung ist aber auch nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht geboten. In der Regelung des § 26 Nr. 4 BauGB bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, daß es des von ihm in § 24 BauGB geschaffenen Sicherungsinstruments nicht bedarf, wenn ein Grundstück in Einklang mit den städtebaulichen Zielvorstellungen der Gemeinde bebaut ist und genutzt wird und in diesem Fall die Notwendigkeit eines Vorkaufsrechts entfällt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.06.1993 - 4 B 100/93 -, NVwZ 1994, 284; Gaentzsch, a.a.O., § 26 RdNr. 5; Dyong-Stock, a.a.O., § 24 RdNr. 43). Dafür genügt es, daß nach dem Stand der Planung der Verwendungszweck mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist und die Sanierungsziele eine so weitgehende Konkretisierung erfahren haben, daß eine Übereinstimmung der vorhandenen Bebauung mit diesen Zielen festgestellt werden kann. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu beurteilen und kann auch schon vor dem nach § 33 BauGB maßgebenden Zeitpunkt bejaht werden (so im Ergebnis auch Roos a.a.O., § 26 RdNr. 27 auch unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte; Dyong/Stock a.a.O. § 24 RdNr. 43 u. Dyong a.a.O. § 26 RdNr. 14; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch 3. Aufl., § 26 RdNr. 9 sowie insbesondere zu letzterem Grauvogel in Kohlmann-Kommentare, Bundesbaugesetz, § 25 III 4 BBauG).

47

Auch die in der ersten Alternative des § 26 Nr. 4 BBauG getroffene Regelung führt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einem anderen Ergebnis, da es sich in § 26 Nr. 4 um zwei selbständige und voneinander unabhängige Regelungen handelt. Vielmehr sprechen systematische Überlegungen dafür, im Rahmen des § 26 Nr. 4, 2. Alternative BauGB die gleichen Anforderungen zu stellen, wie sie für die Abwendungsbefugnis in § 27 Abs. 1 S. 1 BauGB gefordert werden, nach denen erforderlich ist, daß die Verwendung des Grundstücks nach den Zielen und Städten der städtebaulichen Maßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist.

48

bb) Von einem solchen Verfahrensstand ist bezüglich des bebauten Grundstücks Flst.-Nr. 471 nach den im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts bekannten Umständen, auf den es dabei maßgebend ankommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.04.1993 a.a.O.; Dyong/Stock a.a.O. § 24 RdNr. 40), auszugehen.

49

Zum damaligen Zeitpunkt waren die vorbereitenden Untersuchungen für die Stadtsanierung "S" bereits abgeschlossen (vgl. Begründung v. Juli 1989) und ein Antrag auf Aufnahme in das Bund-Länder-Sanierungs- u. Entwicklungsprogramm 1990 gestellt. Nach den angestellten Erhebungen handelt es sich bei dem Gebäude auf Flst.-Nr. 471 um einen Massivbau, dessen Zustand oder Gestalt im Rahmen der erhaltenden Erneuerung des Stadtbilds zwar verbesserungsfähig ist, bei dem jedoch weder bauliche oder strukturelle Eingriffe wünschenswert noch eine Neuordnung, Umnutzung oder sonstige bauliche Veränderungen anzustreben sind. Das Gebäude hat nur geringen oder keinen ideellen Wert und beeinträchtigt das Stadtbild nicht störend. Außerdem lag damals bereits ein Bebauungsplanentwurf (Aufstellungsbeschluß v. 24.02.1979) vor, der aus einem Lageplan, textlichen Festsetzungen und Begründung besteht. Die Träger öffentlicher Belange wurden dazu angehört (17.07.1979 u. 28.11.1991; ebenso fand bereits eine frühzeitige Bürgerbeteiligung statt (22.06.1979 u. 21.01.1992). Danach ist in diesem Bereich ein besonderes Wohngebiet mit zweigeschossiger Bebauung in geschlossener Bauweise und einer Grundflächenzahl von 0,9 vorgesehen.

50

Die Klägerin stellt nicht in Abrede, daß das Gebäude auf Flst.-Nr. 471 diesen baurechtlichen Anforderungen grundsätzlich entspricht. Der Einwand, eine Bebauung entsprechend den Zielen und Zwecken der Sanierung und dem Bebauungsplanentwurf liege nicht vor und sei nicht möglich, weil das Gebäude in seiner auf der Grundstücksgrenze zum Flst.-Nr. 472 stehenden Außenwand notwendige Fenster besitze, greift nicht durch. Denn nach der Baugenehmigung vom 08.02.1966 wurden die Fenster im Nordgiebel im Hinblick auf eine Überbauung des Flurstücks Nr. 472 nur auf Widerruf gestattet (vgl. Nr. 11 S. 2 der Auflagen zur Baugenehmigung). Zudem handelt es sich bei den Fenstern im Erdgeschoß und im Obergeschoß - soweit ersichtlich - auch nicht um notwendige Fenster. Das nach den Bauzeichnungen in der Giebelwand im Dachgeschoß vorgesehene Fenster besteht nach dem von der Klägerin vorgelegten Lichtbild offenbar gar nicht.

51

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Festsetzung in dem Bebauungsplanentwurf noch zu vage und unbestimmt gewesen wären. Vielmehr hat sich auch die Klägerin bei der Ausübung des Vorkaufsrechts an diesem der Sanierung zugrundeliegenden Konzept und den vorgesehenen baurechtlichen Festsetzungen orientiert und in der Vorlage für den Gemeinderat vom 13.03.1992 u.a. ausgeführt, daß die Billigung des Bebauungsplan-Entwurfs unmittelbar bevorstehe (vgl. /15 Landratsamts-Akten 1992).

52

cc) Da die Ziele und Zwecke der Sanierung für Flst.-Nr. 471 sonach bereits hinreichend konkretisiert und bestimmt waren und die vorhandene Bebauung und Nutzung diesen entspricht, war eine Inanspruchnahme des Grundstücks als Tauschobjekt ausgeschlossen, weil unter diesen Voraussetzungen eine Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Wohl der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt ist. Es kann nicht, wie die Klägerin meint, argumentiert werden, da die Sanierung eine Nutzung des Grundstücks als Tauschobjekt für das Nachbargrundstück Flst.-Nr. 470 erfordere, entspreche die vorhandene Bebauung und Nutzung, auch wenn diese mit dem Bebauungsplanentwurf in Einklang stehe, nicht den Zielen und Zwecken der Sanierung. Denn dadurch würde die vom Gesetz vorgenommene Gewichtung der öffentlichen und der privaten Interessen umgangen (vgl. dazu auch Dyong/Stock a.a.O. § 24 RdNr. 43).

53

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die bauliche Anlage Mißstände oder Mängel i.S.d. § 177 Abs. 2 u. 3 S. 1 BauGB aufweisen würde. Andeutungen, die früher in dieser Richtung gemacht wurden (vgl. z.B. Stellungnahme der Klägerin an das Landratsamt vom 04.11.1991, S. 8, /_ 15 LRA-Akten 1991), hat die Klägerin bei der Beantwortung des Aufklärungsbeschlusses des Senats vom 20.09.1995 in dem Schriftsatz vom 23.10.1990 und in der mündlichen Verhandlung des Senats am 28.02.1996 nicht aufrechterhalten und hierfür auch nichts vorgetragen.

54

dd) Der Argumentation der Klägerin, die Grundstücke Flst.-Nrn. 471 u. 472 seien als wirtschaftliche Einheit zu sehen und könnten daher bei der Prüfung einer Übereinstimmung mit den im Rahmen der Sanierung verfolgten Bebauungsabsichten nicht getrennt einzeln betrachtet werden, kann nicht gefolgt werden. Das Grundstück Flst.-Nr. 471 und das Grundstück Flst.-Nr. 472 bilden grundbuchrechtlich und auch, was die rechtliche Beurteilung einer zulässigen Bebauung anlangt, zwei selbständige Grundstücke. Demgemäß ist auch die Frage, ob die Voraussetzungen des § 26 Nr. 4 BauGB vorliegen, für jedes der beiden Grundstücke selbständig zu beantworten.

55

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich auf dem Grundstück Flst.-Nr. 472 Stellplätze für das Grundstück Flst.-Nr. 471 befinden. Denn eine rechtliche Verknüpfung derart, daß die Bebauung auf Flst.-Nr. 471 von der Schaffung und Erhaltung der Stellplätze auf Flst.-Nr. 472 abhängig ist (z.B. durch eine entsprechende Bedingung in der Baugenehmigung) oder eine Bebauung von Flst.-Nr. 472 nur im Zusammenhang mit der des Flurstücks Nr. 471 sowie in bestimmter Art und Weise erfolgen kann, wurde weder durch die Baugenehmigung vom 08.02.1966 für den Umbau des Wohnhauses und Geschäftshauses auf Flurstück Nr. 471 geschaffen noch besteht sie aufgrund sonstiger rechtlicher Vorschriften. In dem zu dieser Baugenehmigung gehörenden Lageplan sind zwar auf Flst.-Nr. 472 fünf Parkplätze eingetragen. Die Schaffung und der Erhalt dieser Stellplätze wurde aber weder zur Bedingung für die Baugenehmigung gemacht noch zur Voraussetzung für eine künftige Nutzung des Flurstücks Nr. 471. Aus der Auflage Nr. 11 zur Baugenehmigung ergibt sich sogar, daß eine Überbauung der Parkfläche auf Lagebuch-Nr. 472 stützenfrei für zulässig angesehen wird, ohne daß eine Regelung darüber getroffen wurde, was mit den Stellplätzen zu geschehen hat. Auch der Bebauungsplanentwurf enthält keine Festsetzungen, die eine gemeinsame Bebauung bzw. einheitliche Nutzung der Flst.-Nrn. 471 u. 472 gewährleisten und notwendig machen.

56

Auch der Hinweis der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, durch den Ausschluß des Vorkaufsrechts für das Flst.-Nr. 471 entstünde ein städtebaulicher Mißstand, weil eine Unterbringung der für die Nutzung des dortigen Gebäudes erforderlichen Stellplätze nicht gesichert und gewährleistet sei, verfängt nicht. Denn dabei handelt es sich nicht um einen der in § 177 Abs. 2 u. 3 BauGB bezeichneten Mißstände oder Mängel.

57

c) Auch die Ausübung des Vorkaufsrechts für das Grundstück Flst.-Nr. 472 ist fehlerhaft.

58

Der rechtliche Ansatzpunkt ist hier allerdings ein anderer. Insbesondere kommt der Ausschlußtatbestand des § 26 Nr. 4 BauGB insoweit hier zur Anwendung. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. 472 befinden sich Stellplätze. Soweit ersichtlich, wurden diese nicht besonders befestigt oder als Bauwerk gestaltet. Es dürfte sich daher, auch wenn Stellplätze nach § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 LBO a. u. n.F. als bauliche Anlagen gelten, in planungsrechtlicher und bodenrechtlicher Hinsicht nicht um ein bebautes, sondern um ein unbebautes Grundstück handeln (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 14.09.1992 - 4 C 15.90 -, NVwZ 1993, 985 = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 152). Nach dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.1993 - 4 B 100/93 -, NVwZ 1994, 284 greift die auf bebaute Grundstücke zugeschnittene Vorschrift des § 26 Nr. 4 BauGB aber nicht ein, wenn Gegenstand des Vorkaufsrechts ein unbebautes Grundstück ist, und läßt auch der klare Gesetzeswortlaut keinen Raum für eine analoge Anwendung. Daran, daß § 26 Nr. 4 BauGB bei Flst.-Nr. 472 nicht einschlägig ist, würde sich im übrigen auch nichts ändern, wenn das Grundstück als bebaut angesehen würde, da die Bebauung und Nutzung insoweit nicht der durch die städtebauliche Maßnahme vorgesehenen entsprechen würde.

59

Demgemäß war die Klägerin nicht gehindert, das Vorkaufsrecht bezüglich dieses Grundstücks auszuüben, um dadurch ein Tauschgrundstück insbesondere für das durch die Sanierungsplanung betroffene Grundstück Flst.-Nr. 470 zu erhalten. Hierfür dürfte es insbesondere genügen, wenn dadurch generell eine Möglichkeit für einen Tausch geschaffen wird, und es nicht, wie die Beigeladenen meinen, darauf ankomme, ob der betroffene Grundstückseigentümer bereits eine entsprechende Bereitschaft zu einem Tausch erklärt oder zu erkennen gegeben hat.

60

Die Ausübung des Vorkaufsrechts liegt allerdings im Ermessen der Gemeinde, da sie bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen das Vorkaufsrecht zwar ausüben kann aber nicht muß (vgl. § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB sowie BVerwG, Beschl. v. 26.04.1993 - 4 B 31/93 - NVwZ 1994, 282). Die Ermessensausübung der Klägerin war jedoch fehlerhaft. Dies ergibt sich daraus, daß sie in ihre Ermessensentscheidung maßgebliche Umstände nicht einbezogen hat, weil sie von einer nicht zutreffenden Beurteilungsgrundlage ausgegangen ist. Wie sich aus den beigezogenen Akten ergibt, ist die Klägerin bei ihren Entscheidungen stets von der Vorstellung ausgegangen, daß das Vorkaufsrecht für beide Grundstücke einheitlich ausgeübt wird. Sie hat dagegen nicht berücksichtigt, daß eine Inanspruchnahme des bebauten Grundstücks Flst.-Nr. 471 im Hinblick auf § 26 Nr. 4 BauGB nicht in Betracht kommt (vgl. z.B. deren Stellungnahme vom 04.11.1991 an das Landratsamt, S. 8 /_15 LRA-Akten 1991, wo die Anwendung des § 26 Nr. 4 BauGB ausdrücklich verneint wird), und keine Erwägungen darüber angestellt, ob der Erwerb des Grundstücks Flst.-Nr. 472 als Tauschobjekt auch allein d.h. auch ohne Flst.-Nr. 471 durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Gegen eine solche Beurteilung spricht aber, wie die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - wenn auch mit anderer Zielrichtung - deutlich gemacht haben, der Umstand, daß dadurch dem Gebäude auf Flst.-Nr. 471 die notwendigen Stellplätze entzogen werden und ein städtebaulicher Mißstand herbeigeführt würde. Irgend welche Überlegungen darüber, daß und wie dieses Parkplatzproblem im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts anderweitig gelöst werden könnte, hat die Klägerin nach den beigezogenen Akten weder damals noch bislang angestellt. Es ist daher auch nichts dafür ersichtlich, daß der dargelegte städtebauliche Mißstand einer Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entgegensteht (zum Prüfungsumfang des Gerichts bzgl. der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung nach § 24 Abs. 3 BauGB und den im Falle der Fehlerhaftigkeit sich ergebenden Rechtsfolgen, vgl. auch BVerwG, Beschl. 26.04.1993 - 4 B 31/93 - a.a.O.).

61

Demnach war der von der Klägerin angegriffene Widerspruchsbescheid des Landratsamts vom 19.10.1992 jedenfalls im Ergebnis rechtmäßig und die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladenen für das Vorverfahren war angesichts des zugrundeliegenden umfangreichen und rechtlich schwierigen Streitstoffes nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO für notwendig zu erklären.

63

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

 


Abkürzung Fundstelle Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten:
https://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE105049600&psml=bsbawueprod.psml&max=true