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Umweltinformationsanspruch; Zugang zu den Aufzeichnungen von Landwirten über die verwendeten Pflanzenschutzmittel in einem Wasserschutzgebiet
Leitsatz
1. Zum Anspruch auf Zugang nach §§ 24, 23 Abs. 4 UVwG (juris: UmwVwG BW) zu den nach § 11 Abs. 1 PflSchG i.V.m. Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 (juris: EGV 1107/2009) geführten Aufzeichnungen der beruflichen Verwender über die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln.(Rn.21)
2. Die Zugangsregelung des § 11 Abs. 3 PflSchG verstößt mit der darin enthaltenen Voraussetzung des Vorliegens eines berechtigten Interesses gegen Art. 3 Abs. 1 UIRL (juris: EGRL 4/2003) und geht deshalb nach der Subsidiaritätsklausel in § 1 Abs. 3 UVwG (juris: UmwVwG BW) der Zugangsregelung des § 24 UVwG (juris: UmwVwG BW) nicht vor. (Rn.26)
3. Die Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Herausgabepflichten der beruflichen Verwender aus Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 und UAbs. 2 Satz 1 VO (EG) 1107/2009 (juris: EGV 1107/2009) erfüllen die Voraussetzung des „Bereithaltens“ i.S.d. § 23 Abs. 4 Satz 2 UVwG (juris: UmwVwG BW).(Rn.33)
Fundstellen
 ZUR 2020, 632-636 (red. Leitsatz und Gründe)  NuR 2021, 212-216 (Leitsatz und Gründe) Verfahrensgang
Diese Entscheidung wird zitiert
Nadja Salzborn, ZUR 2020, 637 (Anmerkung) TenorDer Bescheid des Regierungspräsidiums S. vom 20.08.2018 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die – um die Angabe des Namens und der Adresse der jeweiligen beruflichen Verwender von Pflanzenschutzmitteln sowie die flurstücksgenaue Bezeichnung der jeweiligen genutzten Flächen geschwärzten – anonymisierten Aufzeichnungen nach § 11 Abs. 1 Pflanzenschutzgesetz über die verwendeten Pflanzenschutzmittel im Wasserschutzgebiet E. der mindestens letzten drei Kalenderjahre durch Zusendung per Mail oder per Post zugänglich zu machen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt im Wege eines Umweltinformationsanspruchs Zugang zu den Aufzeichnungen von Landwirten über die verwendeten Pflanzenschutzmittel im Wasserschutzgebiet E.
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Der Kläger ist ein im Jahr 1965 gegründeter selbstständiger kommunaler Zweckverband, dessen Aufgabe die Bereitstellung von Wasser für die öffentliche Versorgung der Verbandsmitglieder ist. Mitglieder des Klägers sind 106 Städte, Gemeinden und kommunale Zweckverbände. Der Kläger beliefert insgesamt rund 250 Städte und Gemeinden mit ca. 90 Millionen m³ Trinkwasser im Jahr. Er nutzt zur Erfüllung seiner Versorgungsaufgabe auf der Grundlage wasserrechtlicher Bewilligungen unter anderem das Kaarst Grundwasservorkommen aus der B.quelle im E.. Ferner gewinnt er Wasser aus dem Grundwasservorkommen im Donauried sowie aus dem Flusswasser der Donau und bezieht Wasser vom Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung.
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Am 27.03.2018 beantragte der Kläger beim Landratsamt O. den Zugang zu den Aufzeichnungen über die berufliche Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nach § 11 Abs. 1 PflSchG der Jahre 2015 bis 2017 zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen im Wasserschutzgebiet E.. Der Kläger stützte seinen Antrag auf § 24 Umweltverwaltungsgesetz (UVwG) und § 11 Abs. 3 PflSchG i.V.m. Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 21.10.2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (VO (EG) Nr. 1107/2009). Nach rechtlicher Prüfung durch das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz lehnte das Landratsamt O. den Anspruch auf Informationszugang mit Schreiben vom 15.05.2018 ab. Das Landratsamt verfüge nicht über die begehrten Informationen.
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Daraufhin beantragte der Kläger, vertreten durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten, beim Regierungspräsidium S. mit Antrag vom 19.07.2018 den Zugang zu den Aufzeichnungen der beruflichen Verwender von Pflanzenschutzmitteln nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) 1107/2009 im Wasserschutzgebiet E.. Der Anspruch bestehe nach § 24 Abs. 1 Satz 2 UVwG. Als Zweckverband gemäß § 3 S. 1 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (GKZ) sei der Kläger eine anspruchsberechtigte juristische Person des öffentlichen Rechts. Die begehrten Aufzeichnungen über die verwendete Menge an Glyphosat und Neonicotinoiden seien Umweltinformationen im Sinne des § 24 Abs. 1 UVwG. Das Regierungspräsidium als informationspflichtige Stelle verfüge auch über diese Umweltinformationen. Gemäß § 23 Abs. 4 S. 1 UVwG verfüge eine informationspflichtige Stelle über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden seien oder für sie bereitgehalten würden. Ein Bereithalten liege nach § 23 Abs. 4 S. 2 UVwG vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die nicht selbst informationspflichtige Stelle sei, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle aufbewahre, auf die diese einen Übermittlungsanspruch habe. Ein Bereithalten liege nach der Begründung des Gesetzesentwurfs insbesondere dann vor, wenn Unternehmen aufgrund einer speziellen Rechtsvorschrift oder eines Verwaltungsaktes Messberichte oder andere Umweltinformationen für einen bestimmten Zeitraum für die informationspflichtigen Stellen aufzubewahren und auf entsprechende Anforderung herauszugeben hätten. Nicht erfasst würden dagegen Fälle, in denen die beantragte Umweltinformation erst aufgrund einer Aufsichtsmaßnahme für die Stelle der öffentlichen Verwaltung erstellt oder an die Stelle herausgegeben werden müsse. Auf diese Weise solle der zunehmenden Verpflichtung von Unternehmen zur Selbstüberwachung Rechnung getragen werden (BT-Drs. 15/3406, Seite 15). Dem Regierungspräsidium als der informationspflichtigen Stelle stehe gegenüber den Landwirten ein Übermittlungsanspruch aus Art. 67 Abs. 1 S. 3 VO (EG) 1107/2009 zu. Die beruflichen Verwender von Pflanzenschutzmitteln seien gemäß Art. 67 Abs. 1 S. 2 VO (EG) 1107/2009 verpflichtet, über mindestens drei Jahre Aufzeichnungen über die Pflanzenschutzmittel, die sie verwenden, zu führen, in denen die Bezeichnung des Pflanzenschutzmittels, der Zeitpunkt der Verwendung, die verwendete Menge, die behandelte Fläche und die Kulturpflanze, für die das Pflanzenschutzmittel verwendet werde, vermerkt seien. Die einschlägigen Informationen in diesen Aufzeichnungen stellten sie auf Anfrage der zuständigen Behörde zur Verfügung. Diese Aufzeichnungspflicht stelle zum einen ein Instrument der Selbstüberwachung dar, zum anderen seien diese Aufzeichnungen Grundlage staatlicher Überwachungsmaßnahmen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung seien die Informationen aus diesen Aufzeichnungen ohne Anlassbezug jederzeit auf Anfrage an die zuständige Behörde herauszugeben, ohne dass es dazu einer Aufsichtsmaßnahme bedürfe. Im Übrigen ergebe sich der Informationsanspruch auch aus Art. 67 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009 unmittelbar, da diese Regelung eine eigene Anspruchsgrundlage darstelle und deren Voraussetzungen erfüllt seien. Schließlich ergebe sich der Anspruch zumindest hilfsweise auch aus § 11 Abs. 3 PflSchG. Obwohl diese Regelung ein berechtigtes Interesse des Antragstellers voraussetze und der Behörde Ermessen einräume und damit dem in Art. 3 Abs. 1 Umweltinformationsrichtlinie (UIRL) verankerten freien Zugang zu Umweltinformationen widerspreche, seien jedenfalls auch diese Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Ein berechtigtes Interesse des Klägers ergebe sich aus seiner Eigenschaft als großes Trinkwasserversorgungsunternehmen, das dafür Sorge zu tragen habe, dass das von ihm zur Verfügung gestellte Trinkwasser frei von unerwünschten Spritzmitteln sei. Hierfür sei die frühzeitige Kenntnis davon erforderlich, welche Pflanzenschutzmittel in welcher Menge und an welcher Stelle in den Schutzgebieten verwendet würden. Im Rahmen der Ermessensentscheidung könne dem Antrag auf Informationszugang der damit verbundene behördliche Aufwand nicht entgegengehalten werden. Die von den Landwirten zu beschaffenden Informationen seien unverändert an den Kläger weiterzuleiten. Eine darüber hinausgehende Bearbeitungs- oder Auswertungspflicht bestehe für die Behörde nicht.
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Mit Bescheid vom 20.08.2018, zugestellt am 22.08.2018, lehnte das Regierungspräsidium S. den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Zugangsgewährung nach § 24 UVwG nicht vorliegen würden, da das Regierungspräsidium S. als informationspflichtige Stelle nicht über die entsprechenden Umweltinformationen verfüge. Die Aufzeichnungen der beruflichen Verwender von Pflanzenschutzmitteln würden nicht im Sinne von § 23 Abs. 4 UVwG für die informationspflichtige Stelle bereitgehalten. Ein „Bereithalten“ liege zum einen dann vor, wenn sich eine informationspflichtige Stelle zur Aufbewahrung von Informationen eines Dritten, der keine informationspflichtige Stelle sei, bediene. Diese Fallkonstellation sei hier nicht gegeben. Ein Fall des Bereithaltens liege zum anderen dann vor, wenn ein Unternehmen aufgrund einer speziellen Rechtsvorschrift oder durch Verwaltungsakt im Rahmen einer Selbstüberwachung verpflichtet sei, Umweltinformationen für einen bestimmten Zeitpunkt für die informationspflichtige Stelle aufzubewahren und auf entsprechende Anforderung herauszugeben (BVerwG, Urteil vom 01.11.2007 – 7 B 37.07 – NVwZ 2008, 80). Eine entsprechende Pflicht zur Selbstüberwachung der Landwirte sei im Pflanzenschutzgesetz jedoch nicht vorgesehen. Sinn und Zweck der Aufzeichnungspflichten von Pflanzenschutzmittelanwendungen durch Landwirte seien darin zu sehen, dass sachgerechte Kontrollen über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln durchgeführt werden könnten bzw. im Fall von Auffälligkeiten die Nachvollziehbarkeit sichergestellt sei. Die Landwirte seien lediglich verpflichtet, aufzuzeichnen und auf Verlangen zu informieren. Ohne ein solches Verlangen nach Informationen bestünden jedoch lediglich Aufzeichnungspflichten. Diese beinhalteten jedoch nicht die weitergehende Pflicht der Selbstüberwachung. Auch aus der Argumentation des Klägers, dass die Aufzeichnungen als Grundlage staatlicher Überwachungsmaßnahmen zu dienen hätten, ergebe sich, dass keine Pflicht zur Selbstüberwachung bestehe, weil im Zweifelsfalle die Überwachungsbehörde eine Prüfpflicht auf Grundlage der Aufzeichnungen habe. Zudem sei das Verlangen nach Auskunft durch die informationspflichtige Stelle als Aufsichtsmaßnahme zu werten, da keine anlassunabhängige Informationspflicht bestehe. Laut Gesetzesbegründung zu dem inhaltsgleichen § 2 Umweltinformationsgesetz (UIG) fielen Fälle, in denen die beantragte Umweltinformation erst aufgrund einer Aufsichtsmaßnahme erstellt oder herausgegeben werden müsse, nicht unter das Bereithalten (BT-Drs. 15/3406, S. 15).
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Weiter führte das Regierungspräsidium zur Begründung der Ablehnungsentscheidung aus, der Anspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 67 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009, da diese Regelung keine eigenständige Anspruchsgrundlage bilde. Zwar begründe Art. 67 VO (EG) 1107/2009 die Verpflichtung zur Aufzeichnung und Aufbewahrung der Informationen über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Unter welchen Voraussetzungen Einsicht in diese Aufzeichnungen genommen werden könne, sei jedoch gemäß Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 VO (EG) 1107/2009 nach den geltenden nationalen oder gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu entscheiden. Diese Regelung wäre widersinnig, wenn sich der Anspruch bereits unmittelbar aus Art. 67 VO (EG) 1107/2009 ergebe. Maßgeblich seien hier also die Vorgaben der nationalen Regelung in § 11 Abs. 3 PflSchG. Dessen Voraussetzungen seien indes ebenfalls nicht erfüllt. Nach § 11 Abs. 3 PflSchG könne die zuständige Behörde auf Antrag bei Vorliegen eines berechtigten Interesses und unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Aufzeichnenden im Einzelfall Auskunft über die Aufzeichnungen nach Art. 67 Abs. 1 S.1 oder 2 VO (EG) 1107/2009 geben. Ein derartiges berechtigtes Interesse müsse vom jeweiligen Antragsteller konkret dargelegt werden. Mit Blick auf die Privilegierung des Klägers in Art. 67 VO (EG) 1107/2009 („Trinkwasserwirtschaft“) sei ein berechtigtes Interesse zwar nicht auszuschließen. Dies könne jedoch offenbleiben, da der Auskunftsanspruch nach § 11 Abs. 3 PflSchG im Ermessen der zuständigen Behörde stehe und die Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Klägers ausfalle. Denn die angeforderten Daten seien nicht geeignet, Rückschlüsse auf eine potentielle Gefahr eines Eintrags der Wirkstoffe in das Grundwasser zu ziehen. Positivbefunde von Glyphosat oder Neonicotinoiden seien im Grundwasser bisher nicht aufgetreten. Der Aufwand der Beschaffung, Sichtung und gegebenenfalls Bearbeitung der Daten zum Schutz von Betriebs-, und Geschäftsgeheimnissen stehe außer Verhältnis zu dem nicht konkret vorgetragenen „berechtigten Interesse“ sowie der Tatsache, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine derartigen Positivbefunde im Grundwasser gebe. Ebenfalls in die Ermessensentscheidung sei die Tatsache mit eingeflossen, dass aus den geforderten Daten keine Rückschlüsse auf die Quelle möglicher Rückstände im Oberflächenwasser gezogen werden könnten. Schließlich dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässer nicht nur durch Anwendungen, sondern auch durch andere Bedingungen sowie durch den Abtrag von befestigten Flächen stammen könne. Über die Frage, ob § 11 Abs. 3 PflSchG unionsrechtswidrig sei, habe das Regierungspräsidium nicht zu entscheiden.
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Am 20.09.2018 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Antragsverfahren und lässt ergänzend ausführen, die Aufzeichnungen nach Art. 67 Abs. 1 S. 2 und 3 VO (EG) 1107/2009 seien ohne Anlassbezug jederzeit auf Anfrage an die zuständige Behörde herauszugeben. Einer Aufsichtsmaßnahme bedürfe es nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht. Dabei sei unerheblich, dass die Behörde auf die Landwirte „aktiv“ durch Anfrage zugehen müsse. Dies zeige ein Vergleich zur Übermittlungspflicht der Betreiber von Abwasseranlagen, die gemäß § 61 Abs. 2 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ihre im Rahmen der Selbstüberwachung gefertigten Aufzeichnungen „auf Verlangen“ der zuständigen Behörde vorzulegen hätten. Diese Übermittlungspflicht „auf Verlangen“ stehe einem Bereithalten im Sinne des § 23 Abs. 4 S. 2 UVwG nicht entgegen. Dies gelte erst recht für die Übermittlungspflicht der Verwender von Pflanzenschutzmitteln „auf Anfrage“. Der Kläger hat erneut betont, dass § 11 Abs. 3 PflSchG aufgrund der darin enthaltenen einschränkenden Voraussetzung eines berechtigten Interesses und des der Behörde eingeräumten Ermessens dem in Art. 3 Abs. 1 UIRL verankerten freien Zugang zu Umweltinformationen widerspreche, deshalb unionsrechtswidrig sei und nicht zur Anwendung kommen könne. Selbst wenn aber § 11 Abs. 3 PflSchG anwendbar sein sollte, bestehe das vorausgesetzte berechtigte Interesse des Klägers an den begehrten Auskünften aus seiner Verantwortlichkeit für die Trinkwasserqualität. Es sei ihm nicht möglich, das Wasser in den Schutzgebieten auf sämtliche der 288 zugelassenen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe zu überprüfen. Die Kenntnis der Daten der verwendeten Pflanzenschutzmittel erhöhe auch im Hinblick auf die Auswahl der richtigen Aktivkohlefilter bei der Wasseraufbereitung die Sicherheit der Trinkwasserqualität. Dem Kläger könne auch nicht im Rahmen der Ermessenserwägungen der behördliche Aufwand zur Beschaffung der Daten entgegengehalten werden. Denn dieser sei gering. Es sei anzunehmen, dass dem Beklagten die Bewirtschafter von Flächen im Wasserschutzgebiet jedenfalls aus dem „gemeinsamen Antrag“ auf Ausgleich nach der Schutzgebiets- und Ausgleichs-Verordnung (SchALVO) bekannt seien. Ein Anfordern der Aufzeichnungen über die verwendeten Pflanzenschutzmittel sei bei den Landwirten im Wasserschutzgebiet ohne größeren Aufwand möglich. Die erhaltenen Daten seien unverändert an den Kläger weiterzuleiten. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Prüfung und weiteren Bearbeitung bestehe nicht. Die Aufzeichnungen über die verwendeten Pflanzenschutzmittel stellten auch keine personenbezogenen Daten i.S.d. Datenschutzgrundverordnung (DSG-VO) dar. Sie könnten dem Kläger in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden, da Informationen zur Person des Verwenders nicht erforderlich seien. Es sei ausreichend zu erfahren, welche Pflanzenschutzmittel zu welcher Zeit und in welcher Menge auf welchen landwirtschaftlichen Flächen im Wasserschutzgebiet eingesetzt würden.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Regierungspräsidiums S. vom 20.08.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die – um die Angabe des Namens und der Adresse der jeweiligen beruflichen Verwender von Pflanzenschutzmitteln sowie die flurstücksgenaue Bezeichnung der jeweiligen genutzten Flächen geschwärzten – anonymisierten Aufzeichnungen nach § 11 Abs. 1 Pflanzenschutzgesetz über die verwendeten Pflanzenschutzmittel im Wasserschutzgebiet E. der mindestens letzten drei Kalenderjahre durch Zusendung per Mail oder per Post zugänglich zu machen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt zunächst aus, dass die Durchführung des nach § 32 Abs. 2 UVwG erforderlichen Widerspruchsverfahrens, auf das in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides vom 20.08.2018 unrichtigerweise nicht hingewiesen worden sei, aus seiner Sicht entbehrlich sei, so dass er sich – als zugleich zuständige Widerspruchsbehörde – rügelos auf die bereits erhobene Klage des Klägers einlasse. Eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren sei aus Sicht des Beklagten nicht erforderlich.
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In der Sache verweist der Beklagte auf die Ausführungen in der ablehnenden Entscheidung vom 20.08.2018 und führt ergänzend im Wesentlichen aus, soweit der Kläger zur Begründung seines Informationsbegehrens darauf abstelle, dass er bei Kenntnis der Daten über die ausgebrachten Pflanzenschutzmittel im Rahmen der von ihm zu verantwortenden Trinkwasseraufbereitung das Grundwasser gezielt auf die eingesetzten Pflanzenschutzmittel und deren Metabolite untersuchen könne, sei dem entgegenzuhalten, dass es an entsprechenden Positivbefunden im Grundwasser fehle. Bei Vorliegen derartiger Befunde würden im Übrigen von Seiten der zuständigen Behörden notwendige Gegenmaßnahmen ergriffen, wozu gegebenenfalls auch die Erhebung von Anwendungsdaten bei den Landwirten zur Fundaufklärung gehören würde. Eine Kenntnis der angewandten Pflanzenschutzmittel sei auch nicht für die Einschränkung des Untersuchungsumfangs erforderlich. Die nach der Trinkwasserverordnung erforderliche Untersuchung sei auf Wirkstoffe eingeschränkt, deren Vorhandensein im betreffenden Wasserschutzgebiet wahrscheinlich sei. Hierzu gehörten grundwassergängige Wirkstoffe und deren Metabolite. Der Wirkstoff Glyphosat z.B. sei nicht grundwassergängig und werde daher auch nicht regelmäßig untersucht. Hinsichtlich der in den Wasserschutzgebieten üblicherweise angewandten Pflanzenschutzmittel bestehe weitgehende Transparenz. Diese könnten über die Datenbank des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit oder den Pflanzenschutzdienst in Baden-Württemberg in Erfahrung gebracht werden. Die im Wasserschutzgebiet eingesetzten wichtigsten Pflanzenschutzmittelwirkstoffe seien deshalb bekannt. Eine Erfassung jeder einzelnen Anwendung mit Mittelbezeichnung, Aufwandmenge, Anwendungstermin und jeweiliger Einzelfläche im Wasserschutzgebiet sei dazu nicht erforderlich. Die vom Kläger angeführten Positivbefunde von Pflanzenschutzmitteln im Oberflächenwasser müssten nicht zwingend mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Wasserschutzgebiet ursächlich verknüpft sein. Derartige Kontamination des Oberflächenwassers könnten auch aus anderen Quellen, etwa von Anwendungen in der Nähe von Oberflächengewässern auch außerhalb des Wasserschutzgebiete von Landwirten, gewerblichen oder privaten Anwendern, durch Abtrag von befestigten Flächen oder aus Fassadenanstrichen stammen. Die Quelle der Kontaminationen des Oberflächenwassers sei durch die Anwendungsdaten der Landwirte im Wasserschutzgebiet nicht zu ermitteln. Deshalb bestehe kein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Daten. Zudem würden die Daten nur für einen beschränkten Zeitraum begehrt. Die Trinkwasserqualität könne durch deren Kenntnis deshalb nicht ununterbrochen gewährleistet werden. Es sei zudem nicht möglich, die Daten der betroffenen Landwirte aus dem gemeinsamen Antrag nach der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) für die Anforderung der Aufzeichnungen zu verwenden. Dem stehe die Datenschutzgrundverordnung (VO (EU) Nr. 2016/679) entgegen. Jedenfalls bestehe ohne Kenntnis der begehrten Umweltinformationen keine konkrete, sondern allenfalls eine abstrakte Gefahr für die Trinkwasserqualität, da bisher auch ohne die betreffenden Informationen die Qualität des Trinkwassers vom Kläger problemlos gewährleistet worden sei.
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Nach Hinweis des Gerichts auf die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 3 UVwG hat der Beklagte hierzu ausgeführt, nach dieser Regelung gehe die bundesrechtliche Vorschrift des § 11 Abs. 3 PflSchG als lex specialis der Anwendung der Anspruchsnorm des § 24 UVwG vor. Dessen Voraussetzungen lägen allerdings nicht vor. Zwar komme dem europäischen Recht Anwendungsvorrang vor nationalen Regelungen zu, aus Art. 67 Abs. 1 UA 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 könne aber kein Auskunftsanspruch abgeleitet werden.
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Der Kläger hat repliziert, die Kenntnis der üblicherweise verwendeten Pflanzenschutzmittelwirkstoffe genüge nicht, um die Trinkwasserqualität hinreichend zu sichern. In Anbetracht der aktuell zugelassenen 288 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe, von denen lediglich 21 definierte Wirkstoffe monatlich und 22 Wirkstoffe vierteljährlich routinemäßig untersucht würden, blieben ca. 92 % der zugelassenen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe bei der Sicherung der Trinkwasserqualität unberücksichtigt. Es entspreche nicht dem Anspruch des Klägers an eine hinreichende Sicherheit der Trinkwasserqualität, wenn aufgrund fehlender Daten über die tatsächliche Anwendungssituation und lediglich aufgrund von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit nur ca. 8 % der möglichen schädlichen Stoffe untersucht werden könnten. Die Kenntnis der tatsächlich verwendeten Pflanzenschutzmittel sei auch zur Sicherheit der Wasseraufbereitung erforderlich. Sein Anliegen sei es im Übrigen, frühzeitig über sämtliche potentiell vorhandenen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe Kenntnis zu erlangen, um das Kontrollprogramm entsprechend auszugestalten und dadurch Grenzwertüberschreitungen von vornherein zu verhindern. Ein behördliches Einschreiten sei dann entbehrlich. Die fehlende Grundwassergängigkeit von Glyphosat treffe im Wasserschutzgebiet E. nicht zu, da es sich um ein durch hohe Fließgeschwindigkeiten geprägtes Karstgebiet handele, weshalb Glyphosat in die Trinkwassergewinnungsanlagen geraten könne. Wegen des schnellen Abbaus dieses Pflanzenschutzmittelwirkstoffs sei es unumgänglich, den konkreten Verwendungszeitraum zu kennen, um das Trinkwasser zeitlich gezielt untersuchen zu können.
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Auf den Hinweis des Gerichts hat der Kläger zur Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 3 UVwG noch ergänzend ausgeführt, diese Regelung könne nach der Gesetzessystematik nicht auf Umweltinformationen angewendet werden, beide Anspruchsnormen stünden nach der Regelung in § 24 Abs. 1 Satz 2 UVwG vielmehr parallel nebeneinander. Da § 24 Abs. 1 UVwG der Umsetzung der UIRL diene, könne zudem der unionsrechtlich vorgegebene Mindeststandart für den Zugang zu Umweltinformationen nicht durch restriktive Fachgesetze eingeschränkt werden, so dass § 1 Abs. 3 UVwG unionsrechtskonform auszulegen und auf § 11 Abs. 3 PflSchG nicht anzuwenden sei. Zudem sei § 11 Abs. 3 PflSchG unionsrechtswidrig und könne daher die Anspruchsnorm des § 24 Abs. 1 UVwG nicht verdrängen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zur Sache gehörenden Behördenakten des Beklagten sowie auf die im gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze und die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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Zwar wurde das nach § 32 Abs. 2 Umweltverwaltungsgesetz (UVwG) erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt. Der Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren jedoch ausdrücklich erklärt, er lasse sich rügelos auf die Klage ein. Die mangelnde Durchführung des Vorverfahrens steht damit der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Zugang zu den nach § 11 Abs. 1 PflSchG i.V.m. Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 geführten Aufzeichnungen der beruflichen Verwender im Wasserschutzgebiet E.. Der Anspruch beruht auf §§ 24, 23 Abs. 4 UVwG.
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Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UVwG hat jede Person nach Maßgabe des Umweltverwaltungsgesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne von § 23 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 UVwG verfügt eine informationspflichtige Stelle über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Dass es sich bei den streitgegenständlichen Aufzeichnungen nach Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 um Umweltinformationen handelt, steht zwischen den Beteiligten außer Frage.
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Die Anwendung der Regelungen der §§ 24, 23 Abs. 4 UVwG ist nicht aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 3 UVwG ausgeschlossen. Nach § 1 Abs. 3 UVwG finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung, soweit bundesrechtliche Vorschriften eine abschließende Regelung treffen. Als eine solche vorrangige bundesrechtliche Regelung ist hier § 11 Abs. 3 PflSchG in Betracht zu ziehen.
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In § 11 Abs. 1 und 2 PflSchG hat der Bundesgesetzgeber Regelungen zur Art und Weise der Führung der Aufzeichnungen über die berufliche Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nach Art. 67 Abs. 1 S. 1 oder 2 der VO (EG) Nr. 1107/2009 sowie zur Berechnung der hierfür vorgesehenen Aufbewahrungsfristen getroffen. § 11 Abs. 3 enthält eine Regelung über den Zugang zu den betreffenden Aufzeichnungen. Nach dieser Regelung kann die zuständige Behörde auf Antrag bei Vorliegen eines berechtigten Interesses und unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Aufzeichnenden im Einzelfall Auskunft über die Aufzeichnungen geben.
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Die Zugangsregelung in § 11 Abs. 3 PflSchG steht zu dem Informationsanspruch aus § 24 UVwG in Normenkonkurrenz (vgl. hierzu Schoch, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. § 1 Rn. 288 ff.). Beide Regelungen gelten für den gleichen Anspruchsberechtigten - den Auskunftbegehrenden -, richten sich gegen den gleichen Anspruchsverpflichteten - die zuständige Behörde als die informationspflichtige Stelle - und betreffen den gleichen Anspruchsgegenstand - die Aufzeichnungen über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, bei welchen es sich unstreitig um Umweltinformationen handelt. § 1 Abs. 3 PflSchG ist nach dem Grundsatz der Spezialität die vorrangige Norm, da sie gegenüber dem Anspruch aus § 24 UVwG weitere Tatbestandsmerkmale enthält, und zwar das Vorliegen eines berechtigten Interesses und die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Aufzeichnenden. Auf der Rechtsfolgenseite schließen sich die Regelungsgehalte der beiden Normen gegenseitig aus, da § 11 Abs. 3 PflSchG die Begrenzung der Auskunftserteilung auf den Einzelfall beschränkt sowie Ermessen bei der Entscheidung über die Auskunftsgewährung einräumt, während § 24 UVwG eine gebundene Entscheidung der informationspflichtigen Stelle vorsieht, der Auskunftsanspruch danach bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen besteht. Nach der Systematik des UVwG ist dem Anspruch lediglich bei Vorliegen von – abschließend aufgeführten und eng auszulegenden – Ausschlussgründen (§ 28 UVwG) nicht zu entsprechen. Die Beurteilung des Vorliegens von Ausschlussgründen unterliegt nicht dem Ermessen der informationspflichtigen Stelle. Damit käme der Regelung in § 11 Abs. 3 PflSchG im Sinne einer verdrängenden Spezialität grundsätzlich Vorrang zu mit der Folge, dass die Anspruchsnormen der §§ 24, 23 Abs. 4 UVwG nicht zur Anwendung kämen.
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Dem steht hier allerdings entgegen, dass § 11 Abs. 3 PflSchG gegen Unionsrecht verstößt und deshalb seinerseits keine Anwendung findet. Art. 67 VO (EG) 1107/2009 sieht in Abs. 1 UAbs. 3 vor, dass die zuständige Behörde die Informationen (Aufzeichnungen über die Pflanzenschutzmittel nach UA 1 Satz 2) gemäß den geltenden nationalen oder gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zugänglich macht. In der Richtlinie 2003/4/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (Umweltinformationsrichtlinie - UIRL -) ist der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen geregelt mit dem Ziel, das Umweltbewusstsein zu schärfen sowie einen freien Meinungsaustausch und eine wirksame Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und damit den Umweltschutz zu verbessern (vgl. Erwägungsgrund (1)). Nach Art. 3 Abs. 1 UIRL gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass Behörden gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie verpflichtet sind, die bei ihnen vorhandenen oder für sie bereitgehaltenen Umweltinformationen allen Antragstellern auf Antrag zugänglich zu machen, ohne dass diese ein Interesse geltend zu machen brauchen. Dieses unionsrechtlich festgeschriebene Jedermann-Recht wird durch § 11 Abs. 3 PflSchG mit der Anforderung eines berechtigten Interesses für die Gewährung des Zugangs zu den Aufzeichnungen nach der Pflanzenschutzrichtlinie in unzulässiger Weise eingeschränkt. Auch die Tatbestandsvoraussetzung der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Aufzeichnenden widerspricht der UIRL. Art. 4 Abs. 2 d) UIRL sieht zwar vor, dass die Mitgliedstaaten eine Regelung zur Ablehnung des Zugangs zu Umweltinformationen vorsehen können, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse hätte. Hierzu ist jedoch eine Rückausnahme in Art. 4 Abs. 2 h) UAbs. 2 S. 3 UIRL vorgesehen, nach der die Mitgliedstaaten aufgrund des Abs. 2 a), d), g) und h) nicht vorsehen dürfen, dass ein Antrag abgelehnt werden kann, wenn er sich auf Informationen über Emissionen in die Umwelt bezieht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da Aufzeichnungen über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln unzweifelhaft derartige Informationen über Emissionen in die Umwelt darstellen. Ferner verstößt auch die Einräumung von Ermessen bei der Entscheidung der zuständigen Behörde über den Zugang zu den Aufzeichnungen der verwendeten Pflanzenschutzmittel in § 11 Abs. 3 PflSchG gegen die UIRL. Denn nach Art. 3 Abs. 2 UIRL sind Umweltinformationen dem Antragsteller vorbehaltlich der in Art. 4 UIRL geregelten Ausschlussgründe zugänglich zu machen. Einen Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Gewährung des Zugangs räumt die UIRL der Behörde damit gerade nicht ein.
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Folge dieser offensichtlichen Unvereinbarkeit von § 11 Abs. 3 PflSchG mit den Vorgaben der UIRL ist, dass diese Regelung aufgrund ihrer Unionrechtswidrigkeit unangewendet bleibt. Eine unionsrechtskonforme Auslegung kommt insbesondere hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des berechtigten Interesses und der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht in Betracht, da diese in diametralem Widerspruch zu den oben genannten Regelungen der UIRL stehen. Scheidet eine unionsrechtskonforme Auslegung aus, ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, gehalten, für deren volle Wirksamkeit zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede - auch spätere - entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischen Weg oder durch irgendein anderes verfassungsgerichtliches Verfahren beantragen oder abwarten muss (EuGH, Urteil vom 20.12.2017 - C-664/15 - juris Rn. 56; im Anschluss daran BVerwG, Urteil vom 27.02.2018 - 7 C 30/17 -, juris Rn. 36). Der EuGH postuliert insoweit, dass dem für die Anwendung des Unionsrechts zuständigen Gericht durch den nationalen Gesetzgeber nicht die Befugnis abgesprochen werden darf, bereits zum Zeitpunkt der Anwendung des Unionsrechts alles Erforderliche zu tun, um von innerstaatlichen Rechtsvorschriften abzuweichen, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Unionsnormen bilden (EuGH, Urteil vom 20.12.2017 - C-664/15 - juris Rn. 57). Diese Rechtsprechung zugrunde gelegt, ist die Kammer gehalten, § 11 Abs. 3 PflSchG unangewendet zu lassen. Denn käme dieser Norm Vorrang zu vor den Regelungen der §§ 24, 23 Abs. 4 UVwG, mit denen der Landesgesetzgeber die unionsrechtlich geforderten Zugangsrechte zu Umweltinformationen landesrechtlich umgesetzt hat (vgl. Hentschel in: Debus, Informationszugangsrecht Baden-Württemberg 1. Aufl. 2017, § 22 Rn. 1), wäre der freie Zugang zu Umweltinformationen eingeschränkt und damit Unionsrecht verletzt. Der Anwendungsbereich des UVwG ist demzufolge eröffnet.
- 28
Die Voraussetzungen der §§ 24, 23 Abs. 4 UVwG sind erfüllt.
- 29
Die streitgegenständlichen Aufzeichnungen gem. § 11 Abs. 1 PflSchG, der auf Art. 67 Abs. 1 S. 1 und 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 verweist, sind Umweltinformationen i.S.d. § 23 Abs. 3 UVwG. Nach der hier allein maßgeblichen Regelung in Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 führen berufliche Verwender von Pflanzenschutzmitteln über mindestens drei Jahre Aufzeichnungen über die Pflanzenschutzmittel, die sie verwenden, in denen die Bezeichnung des Pflanzenschutzmittels, der Zeitpunkt der Verwendung, die verwendete Menge, die behandelte Fläche und die Kulturpflanze, für die das Pflanzenschutzmittel verwendet wurde, vermerkt sind. Die dreijährige Aufbewahrungsfrist des Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 1107/2009 berechnet sich nach § 11 Abs. 2 PflSchG ab dem Beginn des Jahres, das auf das Jahr des Entstehens der jeweiligen Aufzeichnung folgt, so dass die Aufzeichnungen mindestens der drei zurückliegenden vollen Kalenderjahre aufzubewahren sind.
- 30
Der Kläger ist als juristische Person des öffentlichen Rechts anspruchsberechtigt nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UVwG. Die Anspruchsberechtigung öffentlicher Rechtsträger ist für Gemeinden anerkannt (BVerwG, Urteil vom 21.02.2008 – 4 C 13/07 –, juris Rn. 28ff.; Hentschel in: Debus, Informationszugangsrecht Baden-Württemberg 1. Aufl. 2017, § 24 Rn. 9; Fluck/Gündling in: Fluck/Fischer/Martini, Informationsfreiheitsrecht, § 3 UIG Rn. 42). Dem Kläger steht deshalb aufgrund der ihm obliegenden Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung als einer Selbstverwaltungsangelegenheit, die er als Zweckverband für seine kommunalen Mitglieder wahrnimmt, ein eigenes Anspruchsrecht zu.
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Das Regierungspräsidium S. ist informationspflichtige Stelle i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UVwG. Es ist nach § 59 Abs. 2 Nr. 8 PflSchG, § 9 Abs. 3 Satz 1 Landwirtschafts-Zuständigkeitsverordnung (Verordnung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz über Zuständigkeiten in den Bereichen Markt und Ernährung, landwirtschaftliche Beratung, Tierzucht und anderen Bereichen vom 04.02.2010, i.d.F. vom 21.03.2016) zuständig für die Überwachung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln.
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Der Beklagte verfügt i. S. d. § 23 Abs. 4 Satz 1 UVwG über die begehrten Aufzeichnungen. Zwar sind die streitgegenständlichen Umweltinformationen nicht beim Regierungspräsidium S. vorhanden (§ 23 Abs. 4 Satz 1 1. Alt. UVwG). Sie werden aber von den beruflichen Verwendern von Pflanzenschutzmitteln für den Beklagten bereitgehalten i.S.v. § 23 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 UVwG. Ein Bereithalten liegt nach § 23 Abs. 4 Satz 2 UVwG vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne von Absatz 1 aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat. Bei den beruflichen Verwendern von Pflanzenschutzmitteln im Wasserschutzgebiet E. handelt es sich um natürliche oder juristische Personen, die selbst nicht informationspflichtige Stellen sind.
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Diese beruflichen Verwender unterliegen der Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Herausgabepflicht aus Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 und UAbs. 2 Satz 1 VO (EG) 1107/2009. Diese Verpflichtungen erfüllen die Voraussetzung des „Bereithaltens“ i.S.d. § 23 Abs. 4 Satz 2 UVwG. Neben der Pflicht zur Aufzeichnung der Daten über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln für mindestens drei Jahre stellen die beruflichen Verwender die einschlägigen Informationen in diesen Aufzeichnungen auf Anfrage der zuständigen Behörde zur Verfügung. Die streitgegenständlichen Aufzeichnungen sind danach - über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren - aufzubewahren i.S.d. § 23 Abs. 4 Satz 2 UVwG. Mit der Herausgabeverpflichtung wird ein Übermittlungsanspruch der zuständigen Behörde als der informationspflichtigen Stelle begründet. Damit sind die Voraussetzungen für ein Bereithalten erfüllt.
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Soweit der Beklagte diesem Normverständnis entgegenhält, die Aufzeichnungspflicht der beruflichen Verwender sei nicht Gegenstand einer Selbstüberwachungspflicht und erfülle damit nicht die Voraussetzung des Bereithaltens i.S.d. § 23 Abs. 4 Satz 2 UVwG, dringt dieser Einwand nicht durch. Der Beklagte beruft sich für seine Auffassung auf die Kommentierung zu der gleichlautenden Regelung in § 2 Abs. 4 Umweltinformationsgesetz (UIG), wonach ein Fall des Bereithaltens dann vorliege, wenn ein Unternehmen aufgrund einer speziellen Rechtsvorschrift oder durch Verwaltungsakt im Rahmen einer Selbstüberwachung verpflichtet ist, Umweltinformationen für einen bestimmten Zeitraum für die informationspflichtige Stelle aufzubewahren und auf entsprechende Anforderung herauszugeben (Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, beck-online, § 2 UIG Rn. 54). Der Beklagte macht geltend, die Aufzeichnungspflichten aus dem Pflanzenschutzgesetz beinhalteten keine weitergehende Pflicht zur Selbstüberwachung. Aus § 11 PflSchG ergebe sich lediglich die Pflicht aufzuzeichnen und auf Verlangen zu informieren, was im Umkehrschluss bedeute, dass ohne ein Verlangen nach Information lediglich Aufzeichnungspflichten bestünden.
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Eine Einschränkung des Begriffs des Bereithaltens auf Informationen, die im Rahmen der Selbstüberwachung bei der selbst nicht informationspflichtigen Stelle anfallen, enthält das Gesetz dem Wortlaut nach nicht. Nach der den Regelungen in § 23 Abs. 4 UVwG, § 2 Abs. 4 UIG zugrunde liegenden Regelung in Art. 2 Ziff. 4 der UIRL sind „für eine Behörde bereitgehaltene Informationen“ solche Umweltinformationen, die materiell von einer natürlichen oder juristischen Person für eine Behörde bereitgehalten werden. Eine Einschränkung dahingehend, aus welchem Grund oder aus welcher Verpflichtung heraus die Umweltinformationen von der natürlichen oder juristischen Person für die Behörde bereitgehalten werden, enthält die UIRL somit nicht. Es kommt für das „Bereithalten“ deshalb allein darauf an, dass die Aufzeichnungen über die verwendeten Pflanzenschutzmittel bei den beruflichen Verwendern geführt und auf Anfrage an die zuständige Behörde herausgegeben werden müssen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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Im Übrigen stellt die Auferlegung von Aufzeichnungs- und Herausgabepflichten allerdings gerade im Umweltrecht eine Verpflichtung zur Selbstüberwachung dar. Für die sachgerechte Überwachung der Ausbringung von Emissionen - wie etwa der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln - ist die zuständige Behörde auf die Dokumentation durch den beruflichen Verwender angewiesen. Indem die Dokumentationspflicht dem Verwender – als der selbst nicht informationspflichtigen natürlichen oder juristischen Person – auferlegt wird und die zuständige Kontrollbehörde aufgrund der Herausgabepflicht auf die einschlägigen Informationen jederzeit, vollständig oder auch nur stichprobenartig zugreifen kann, wird die Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe anteilig auf die Unternehmen (hier: die beruflichen Verwender der Pflanzenschutzmittel) verlagert und damit für die Kontrollbehörde ressourcenschonend erleichtert. Dies entspricht der Intention des europäischen Verordnungsgebers, die in Erwägungsgrund Nr. 44 zur VO (EG) 1107/2009 zum Ausdruck kommt. Danach sollen die Bestimmungen zur Führung von Aufzeichnungen und zur Information über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nicht nur das Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt erhöhen, sondern die Effizienz der Überwachung und der Kontrolle steigern und die Kosten für die Überwachung der Wasserqualität verringern. Die Dokumentation der Anwendung der Pflanzenschutzmittel durch die Verwender selbst stellt damit einen Fall des „Outsourcings von Verwaltungskontrolltätigkeit in Gestalt der Selbstüberwachung mit der Überwachungsbefugnis der Kontrollbehörde“ dar, in dem eine zuvor bei einer öffentlichen Stelle liegende Datenhaltung auf einen privaten Dienstleister verlagert wird (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 30.01.2020 – 9 K 8441/18 –, juris Rn. 27 mit Hinweis auf Schrader in Schlacke/Schrader/Bunge, Aarhus-Handbuch, 2. Aufl. 2019, § 1 Rn. 97). Der Begriff des Bereithaltens in § 2 Abs. 4 Satz 2 UIG stellt sicher, dass in den Fällen ausgelagerter Kontrolltätigkeit die gleiche Kontrollintensität bestehen bleibt wie bei Wahrnehmung der Kontrolltätigkeit durch die Behörde allein. Die Erfüllung der Kontrollaufgabe wird in diesen Fällen auf die Unternehmen (beruflichen Verwender) und die Behörde verteilt. Eine Selbst- oder Eigenüberwachung durch das Unternehmen, bzw. den beruflichen Verwender, kann letztlich auch nicht vollständig losgelöst von einer Überwachung durch die zuständige Kontrollbehörde erfolgen, da die abschließende Verantwortung für die Überwachung der Einhaltung umweltrechtlicher Vorgaben bei dieser liegt. Die Aufzeichnungs- und Herausgabepflicht der Verwender aus Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 und UAbs. 2 Satz 1 VO (EG) 1107/2009 ist deshalb als Selbstüberwachungspflicht zu qualifizieren.
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Gerade derartige Verpflichtungen zur Selbstüberwachung hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 2 UIG für das Tatbestandsmerkmal des „Bereithaltens“ im Blick gehabt (BT-Drs. 15/3406 S. 15). Dort heißt es:
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„Dadurch soll der zunehmenden Verpflichtung von Unternehmen zur Selbstüberwachung Rechnung getragen werden. Denn im Rahmen dieser Selbstüberwachung werden immer häufiger Umweltinformationen in den Unternehmen selbst aufbewahrt, die vormals von den zuständigen Stellen der öffentlichen Verwaltung im Rahmen der Überwachung erhoben wurden und auch bei diesen aufbewahrt und damit unmittelbar vorhanden waren. (...) Zur weiteren Klarstellung wird auch der Begriff des „Bereithalten“ näher definiert. Danach sind nicht nur die Fälle erfasst, bei denen sich die informationspflichtige Stelle Dritter, die selbst keine informationspflichtigen Stellen sind, zur Aufbewahrung von Umweltinformationen bedient, sondern insbesondere Fälle, in denen Unternehmen aufgrund einer speziellen Rechtsvorschrift oder eines Verwaltungsaktes Messberichte oder andere Umweltinformationen für einen bestimmten Zeitraum für die informationspflichtigen Stellen aufbewahren und auf entsprechende Anforderung herauszugeben haben.“
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Damit wollte der Gesetzgeber - entsprechend den Vorgaben der UIRL - einer Begrenzung des Informationszugangs durch die „Flucht ins Private“ und dem damit verbundenen Verlust von Informationen durch die zuständigen Stellen begegnen (Engel in: Götze/Engel, UIG § 2 Rn. 107). Maßgeblich sind deshalb insbesondere die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten die notwendige Voraussetzung für eine sachgerechte Überwachung durch die Kontrollbehörde. Dass auch sonstige, weitergehende Pflichten zur Selbstüberwachung gehören können, z.B. die Pflicht zur proaktiven Übermittlung von Informationen an die Kontrollbehörde, steht dem nicht entgegen. Gerade eine solche proaktive Übermittlungspflicht ist für ein Bereithalten von Informationen schon deshalb nicht maßgeblich, weil sie dazu führt, dass die zu übermittelnden Informationen bei der zuständigen Kontrollbehörde vorhanden sind und diese damit unmittelbar darüber verfügt i.S.v. § 23 Abs. 4 Satz 1 UVwG (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 30.01.2020 – 9 K 8441/18 –, juris Rn. 28).
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Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 01.11.2007 (7 B 37/07, juris Rn. 20) die Erhebung und Aufbewahrung von Informationen als Gegenstand der Selbstüberwachung angesehen und dies als maßgeblichen Grund erachtet für die Erstreckung des Auskunftsanspruchs auf Dritte, die nicht informationspflichtige Stelle sind, die Informationen aber für die Behörde bereithalten und ihr jederzeit herauszugeben oder zur Verfügung zu stellen haben. Das BVerwG hat ausgeführt, dass Informationen für eine Behörde bereitgehalten werden, wenn diese auch in Erfüllung einer ihr gegenüber bestehenden Pflicht gesammelt und aufbewahrt werden. Nichts Anderes ist aber Gegenstand der Aufzeichnungs- und Herausgabepflicht des Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 und UAbs. 2 Satz 1 VO (EG) 1107/2009.
- 41
Auch der Einwand des Beklagten, nach der Gesetzesbegründung zu § 2 UIG sollten Fälle, in denen die beantragte Umweltinformation erst aufgrund einer Aufsichtsmaßnahme für die Stelle der öffentlichen Verwaltung erstellt oder an die Stelle herausgegeben werden müsste, vom Tatbestandsmerkmal des Bereithaltens nicht erfasst sein, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Das Herausgabeverlangen aus Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 VO (EG) 1107/2009 unterliegt keinen weiteren Voraussetzungen. Die Anforderung der einschlägigen Informationen erfolgt daher nicht im Wege einer behördlichen Aufsichtsmaßnahme. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Erfüllung der Herausgabepflicht gegebenenfalls mit Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden muss.
- 42
Dem Anspruch auf Informationszugang stehen keine Rechte der beruflichen Verwender aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 3 UVwG entgegen. Denn der Kläger begehrt die Aufzeichnungen in anonymisierter Form ohne die Bezeichnung der jeweiligen beruflichen Verwender und der flurstücksgenauen Bezeichnung der genutzten Flächen, sodass weder personenbezogene Daten der Aufzeichnenden offenbart noch deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht werden. Im Übrigen dürften diese Rechte dem Anspruch auf Zugänglichmachung der betreffenden Aufzeichnungen ohnehin nicht entgegengehalten werden. Denn bei den streitgegenständlichen Informationen handelt es sich um Umweltinformationen über Emissionen i. S. d. § 29 Abs. 1 Satz 2 UVwG (vgl. EuGH, Urteil vom 23.11.2016 - C-442/14 - juris Rn. 50 ff., 72, 82 ff., 104 ff.; NdsOVG, Beschluss vom 24.03.2016 - 2 LB 69/15 - juris Rn. 6 = ZUR 2016, 362; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.03.2017 - 10 S 413/15 - juris Rn. 51), weshalb eine Ablehnung des Zugangs unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UVwG) von vornherein ausscheidet. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt beim Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen aufgrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung stets zugunsten des Interesses am Informationszugang aus (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 30.01.2020 – 9 K 8441/18 –, juris Rn. 29).
- 43
Der Behörde steht im Rahmen der Entscheidung über den Anspruch aus § 23 Abs. 4 i. V. m. § 24 UVwG kein Ermessen zu. Ein solches besteht im Ansatz nur hinsichtlich der Art des Informationszugangs (§ 24 Abs. 2 Satz 2 und 3 UVwG). Insbesondere kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, es sei ihm nicht möglich, die beruflichen Verwender, d.h. die Landwirte, im Bereich des Wasserschutzgebietes E. zu ermitteln. Dabei ist unerheblich, ob der Beklagte berechtigt ist, auf die Daten aus dem Gemeinsamen Antrag nach der Ausgleichs- und SchutzgebietsVO zurückzugreifen, oder ob dem Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung entgegenstehen. Als zuständige Kontrollbehörde muss das Regierungspräsidium S. die Verwender im Wasserschutzgebiet E. kennen, um ihre Aufgaben als zuständige Kontrollbehörde nach § 59 Abs. 2 Nr. 8 PflSchG ordnungsgemäß wahrzunehmen. Hierzu gehört auch die Gewährung von Auskunft nach dem UVwG. Nach dem oben dargestellten Sinn und Zweck der unionsrechtlich garantierten Umweltinformationsrechte zu den bereitgehaltenen Aufzeichnungen nach Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 VO (EG) 1107/2009 dürfen diese gerade nicht vom Zugang ausgenommen werden, weil sie bei den beruflichen Verwendern vorhanden sind und der Kontrollbehörde erst auf deren Anfrage hin zu übermitteln sind. Auf welchem Weg der Beklagte die Verwender feststellt, ist deshalb nicht Gegenstand der Entscheidung über die Gewährung des Informationszugangs nach § 24 UVwG.
- 44
Die Anonymisierung der verlangten Aufzeichnungen um die Daten der beruflichen Verwender stellt keine, der Zugangsgewährung entgegenstehende unzumutbare Aufbereitung der Umweltinformationen dar. Zwar ist es ein allgemeiner Grundsatz des Informationszugangsrechts, dass Gegenstand des Informationszugangs nur Aufzeichnungen/Informationen/Daten in der Form sein können, wie sie bei der informationspflichtigen Stelle vorliegen, dass also kein Anspruch auf systematische Aufbereitung der Informationen besteht (vgl. Schoch IFG/Schoch, 2. Aufl. 2016, IFG § 1 Rn. 39). Im Rahmen der erforderlichen Anonymisierung besteht jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 30.01.2020 – 9 K 8441/18 – juris Rn. 31 unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 IFG und die hierzu vorliegende Kommentierung von Schoch in IFG, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 92-94).
- 45
Für den Zugangsanspruch nach § 24 Abs. 1 UVwG i.V.m. § 23 Abs. 4 UVwG bedarf es der Darlegung eines rechtlichen Interesses nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nicht. Es ist deshalb unerheblich, inwieweit der Kläger die verlangten Umweltinformationen für die Erfüllung seiner Aufgabe der Trinkwasserüberwachung und zur Gewährleistung der Sicherheit der Trinkwasseraufbereitung benötigt. Der Beklagte kann dem Zugangsanspruch demnach nicht entgegenhalten, dass der Kläger die Kenntnis über die im Wasserschutzgebiet E. ausgebrachten Pflanzenschutzmittel möglicherweise auf anderem Wege erlangen kann. Ebenso unbeachtlich ist, wie hoch der Erkenntnisgewinn aus den Aufzeichnungen nach Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 VO (EG) 1107/2009 für den Kläger ist.
- 46
Besteht der Anspruch des Klägers auf Zugang zu den nach § 11 Abs. 1 PflSchG i.V.m. Art. 67 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009 zu fertigenden Aufzeichnungen der beruflichen Verwender damit auf der Grundlage von §§ 24 Abs. 1, 23 Abs. 4 UVwG, kann offenbleiben, ob sich der Anspruch zusätzlich auch aus Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2, UAbs. 3 EU-Pflanzenschutz-VO ergibt (vgl. hierzu – im Ergebnis offen lassend – VG Karlsruhe, Urteil vom 30.01.2020 – 9 K 8441/18 –, juris Rn. 35 ff.). Ob die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 PflSchG erfüllt sind, bedarf schon deshalb keiner weiteren Prüfung, weil diese Norm den freien Zugang zu Umweltinformationen in unionsrechtswidriger Weise einschränkt und damit unangewendet bleibt (vgl. die Ausführungen oben).
- 47
Der Beklagte war daher wie aus dem Tenor ersichtlich zur Zugangsgewährung zu verpflichten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Berufung ist gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen.
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