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Informationserteilung nach dem Verbraucherinformationsgesetz
Leitsatz
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorhandensein der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG begehrten Informationen, nämlich der „festgestellten nicht zulässigen Abweichungen“ im Sinne dieser Vorschrift, ist der Eingang des Antrags auf Informationszugang bei der informationspflichtigen aktenführenden Behörde (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, S. 1014, BVerwGE 154, 231, juris Rn. 41).(Rn.35)
2. Es genügt nicht, wenn die informationspflichtige Behörde zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Informationszugang (nur) über Untersuchungsergebnisse in einem naturwissenschaftlich-technischen Sinne verfügt und diese erst im Rahmen des Informationszugangsverfahrens einer rechtlichen Subsumtion zuführt, denn ausreichend - aber auch erforderlich - für das Vorliegen einer „nicht zulässigen Abweichung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ist, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.2019 - 7 C 29.17 - NJW 2020, S. 1155, BVerwGE 166, 233, juris Rn. 30 ff.).(Rn.39)
3. Dem betroffenen Unternehmen dürfte jedenfalls zunächst rechtliches Gehör zu den in dem genannten Sinne „festgestellten nicht zulässigen Abweichungen“ einzuräumen sein, um diesem mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Möglichkeit zu geben, sich in Kenntnis des rechtlichen Vorwurfs gegen die von der informationspflichtigen Behörde vorgenommene rechtliche Subsumtion wenden zu können.(Rn.48)
weitere Fundstellen ...
Diese Entscheidung wird zitiert
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Vergleiche BVerwG, 29. August 2019, Az: 7 C 29/17 Vergleiche BVerwG, 17. März 2016, Az: 7 C 2/15 Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.05.2020 gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 11.05.2020 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Antragstellerin, ein fleischverarbeitendes Unternehmen im Zuständigkeitsbereich des Landratsamts ..., wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine von dem Antragsgegner beabsichtigte Informationserteilung nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) an den Beigeladenen.
- 2
Unter Zuhilfenahme der von Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. betriebenen Internetplattform „Topf Secret“ (www.fragdenstaat.de) sandte dieser am 11.04.2020 eine vom Betreiber der Plattform vorformulierte E-Mail-Anfrage nach dem Verbraucherinformationsgesetz an die zuständige Behörde mit der Bitte um Antwort in elektronischer Form (Email). Die Anfrage enthielt unter anderem folgenden Inhalt:
- 3
„(...) ich beantrage die Herausgabe folgender Informationen:
- 4
1. Wann haben die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im folgenden Betrieb stattgefunden:
... ... ...
- 5
2. Kam es hierbei zu Beanstandungen? Falls ja, beantrage ich hiermit die Herausgabe des entsprechenden Kontrollberichts an mich.
- 6
Ich stütze meinen Antrag auf Informationszugang auf § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz - VIG). Bei den von mir begehrten Informationen handelt es sich um solche nach § 2 Abs. 1 VIG. (...)
- 7
Unter „Beanstandungen“ verstehe ich unzulässige Abweichungen von den Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFBG) oder anderen geltenden Hygienevorschriften. Sollte es zu einer oder mehreren solchen Beanstandungen gekommen sein, beantrage ich die Herausgabe des entsprechenden, vollständigen Kontrollberichts - unabhängig davon, wie ihre Behörde die Beanstandungen eingestuft hat (bspw. als „geringfügig“ oder „schwerwiegend“). (...)“
- 8
Mit Schreiben vom 23.04.2020 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin über den Antrag auf Informationsgewährung. Es sei beabsichtigt, dem Beigeladenen durch Übersendung einer Aufstellung der bei den letzten beiden Betriebskontrollen festgestellten, nicht zulässigen Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Bestimmungen, Auskunft zu erteilen. Die Antragstellerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 04.05.2020.
- 9
Mit Schreiben vom 25.04.2020 erhob die Antragstellerin „Einspruch“ gegen die Herausgabe von Auskünften. Aus dem Schreiben vom 23.04.2020 ginge weder hervor, in welcher Gestalt überhaupt ein Anspruch auf Zugang zu Informationen begehrt werden, noch wer überhaupt einen Anspruch geäußert habe. Es werde daher um Offenlegung des Antragstellers (hier: Beigeladener), Übermittlung des Auskunftsbegehrens und Übermittlung der von der Behörde beabsichtigen Auskunft gebeten.
- 10
Mit Email vom 27.04.2020 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin den Namen und die Adresse des Beigeladenen mit und verwies hinsichtlich des Inhalts des Auskunftsbegehrens auf sein Schreiben vom 23.04.2020. Im Übrigen sehe das Verbraucherinformationsgesetz nicht vor, dass dem Betrieb, auf den sich die Anfrage beziehe, der Inhalt der Auskunft vorab mitgeteilt werde.
- 11
Am 28.04.2020 beantragte die Antragstellerin Akteneinsicht, die ihr auch gewährt wurde. In diesem Zusammenhang wies der Antragsgegner darauf hin, dass dem Beigeladenen eine Aufstellung der bei den Kontrollen am 25.02.2020 und 30.03.2020 festgestellten, nicht zulässigen Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Bestimmungen übersandt würden. Eine Herausgabe der Kontrollberichte (die der Antragstellerin bereits vorlägen) sei nicht beabsichtigt. Die Frist zur Stellungnahme werde bis zum 07.05.2020, Dienstbeginn, verlängert.
- 12
Daraufhin erfolgte mit Schreiben vom 06.05.2020 eine umfassende Stellungnahme seitens der Antragstellerin. Im Wesentlichen stützte diese sich darauf, dass in dem vorliegenden Aktenvorgang die erwähnte Aufstellung der nicht zulässigen Abweichungen nicht enthalten sei, sodass völlig unklar sei, welche Informationen im Einzelnen von einer Herausgabe betroffen seien. Um umfassend zu der beabsichtigen Herausgabe Stellung nehmen zu können, werde daher ergänzend um konkrete Benennung der aus Sicht der Behörde herausgabepflichtigen Informationen gebeten, um hierzu im Sinne der durch § 5 Abs. 1 VIG i. V. m. § 28 VwVfG vorgeschriebenen Anhörung auch inhaltlich Stellung nehmen zu können. In einem ordnungsgemäßen Anhörungsverfahren sei einem Beteiligten, in dessen Rechte ein Verwaltungsakt eingreife, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Damit die Anhörung ihren Zweck erfüllen könne, müssten unter anderem auch sämtliche entscheidungserhebliche Tatsachen mitgeteilt werden. Die in Bezug genommenen Kontrollberichte vom 25.02.2020 und vom 30.03.2020 enthielten eine Vielzahl von tatsächlichen Feststellungen und Bemerkungen. Welche dieser Feststellungen aus Sicht der Behörde solche über „nicht zulässige Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Bestimmungen“ darstellen sollten, erschließe sich nicht. Eine Übersendung der Kontrollberichte selbst, bzw. eine unveränderte inhaltliche Wiedergabe von einzelnen Feststellungen aus den Kontrollberichten wäre in jedem Fall aus den folgenden Gründen nicht zulässig: Gemäß dem Wortlaut der über das Portal „Topf Secret“ gestellten Anfrage würden ausdrücklich nur unzulässige Abweichungen von den Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) oder anderen geltenden Hygienevorschriften angefragt. Etwaige Informationen betreffend die Abweichungen von Rechtsvorschriften, die nicht unter diese Regelungswerke fielen, dürften daher bereits deshalb schon nicht an den Antragsteller gewährt werden, da sie vom Informationsantrag ausdrücklich nicht umfasst seien. Der Begriff „Abweichung“ bezeichne die objektive Nichteinhaltung von Rechtsvorschriften. Derartige Abweichungen gehörten nur dann zu den grundsätzlich herausgabepflichtigen Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG, wenn sie „nicht zulässig“ und von der zuständigen Stelle festgestellt worden seien. In diesem Zusammenhang erfordere eine von der zuständigen Behörde festgestellte Abweichung im Sinne der vorgenannten Norm, dass die zuständige Behörde eine rechtliche Subsumtion von Kontroll- und Untersuchungsergebnissen anhand einer konkreten Rechtsnorm zur Feststellung einer solchen „nicht zulässigen Abweichung“ vornehmen müsse. Dies sei allerdings im vorliegenden Fall nicht hinreichend erfolgt, so dass in keinem Fall der hier aufgelisteten Beanstandungen von einer in rechtlicher Hinsicht nicht zulässigen Abweichung ausgegangen werden könne. Es erfolge keine rechtliche Subsumtion unter eine bestimmte Rechtsnorm. Die stichpunktartigen Bemerkungen des Kontrolleurs reichten für sich genommen auch nicht aus, um eine solche rechtliche Subsumtion zu ersetzen bzw. eine solche anhand einer konkreten Verbotsnorm vornehmen zu können. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 29.08.2019 - 7 C 29.17 - zwischenzeitlich geklärt, dass ein zulässiges Informationsbegehren nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 voraussetze, dass die zuständige Behörde eine nicht zulässige Abweichung unter Würdigung des Sachverhaltes und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt habe. Durch die so konkretisierten Anforderungen solle vermieden werden, dass auch vorläufige Überlegungen und juristisch noch nicht von den zuständigen Stellen tatsächlich und rechtlich gewürdigte Informationen, mithin solche Informationen, die noch keine gesicherte Erkenntnis über eine Abweichung böten, bereits zum Gegenstand des Informationsbegehrens gemacht werden könnten. Diesen Anforderungen genügten die Kontrollberichte selbst sowie die darin enthaltenen Feststellungen nicht. Einzelne Rechtsvorschriften würden nicht genannt. Eine rechtliche Würdigung der betroffenen Feststellungen werde nicht vorgenommen. Dies genüge ersichtlich nicht, um die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Urteil vom 29.08.2019 umzusetzen. Unabhängig davon würden sämtliche Mängel im Rahmen der regelmäßigen Instandhaltung behoben. Die Kontrollberichte und die darin enthaltenen Feststellungen würden in keiner Weise ein aktuelles Bild ihres Betriebs wiedergeben. Schließlich äußerte die Antragstellerin verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die über die Plattform „TopfSecret“ beabsichtige Veröffentlichung. Hierzu verweist sie unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 zu § 40 Abs. 1a LFGB. Außerdem stehe einer Informationsgewährung § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a VIG i. V. m. Art. 86 Datenschutzgrundverordnung entgegen, da es sich hier insoweit um personenbezogene Daten handle, als der Familienname im Betriebsnamen enthalten sei. Im Ergebnis dürfte allenfalls das Datum der Betriebskontrolle mitgeteilt werden. In Betracht käme auch eine Gewährung der Informationen auf andere Art und Weise gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG, die den hier betroffenen Rechten auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ausreichend Rechnung trage, insbesondere die Gewährung von Akteneinsicht in den Räumen der Behörde oder die (mündliche bzw. telefonische) Auskunftserteilung. Es bestehe Bereitschaft, der Informationsgewährung zuzustimmen, wenn dem antragstellenden Verbraucher keine schriftlichen Dokumente zur Verfügung gestellt würden, die auf das Portal „Topf Secret“ hochgeladen werden könnten.
- 13
Mit Bescheid vom 11.05.2020 teilte der Antragsgegner dem Beigeladenen mit, dass seinem Antrag auf Erteilung einer Auskunft gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 VIG stattgegeben werde (Ziffer 1). Die Auskunftserteilung erfolge zeitnah durch Übersendung einer Aufstellung der bei den letzten beiden Kontrollen im Betrieb der Antragstellerin festgestellten, nicht zulässigen Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Bestimmungen, frühestens jedoch nach Ablauf von zwei Wochen nach der (mit gleicher Post versandten) Unterrichtung des betroffenen Betriebs über die unter Ziffer 1 getroffene Entscheidung (Ziffer 2). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, es sei ein Antrag nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG gestellt worden. Der Informationszugang dürfe nach § 5 Abs. 4 VIG allerdings erst erfolgen, wenn die Entscheidung über die Auskunftserteilung dem betroffenen Betrieb bekannt gegeben worden sei und diesem ein ausreichender Zeitraum zur Einlegung von Rechtsbehelfen eingeräumt worden sei. Es werde um etwas Geduld gebeten.
- 14
Mit Schreiben vom 11.05.2020, zugestellt am 12.05.2020, wurde der Antragstellerin der gegenüber dem Beigeladenen ergangene Bescheid bekanntgegeben. Das Landratsamt ... teilte mit, dass die erhobenen Einwände der Antragstellerin einer Auskunftserteilung nach dem Verbraucherinformationsgesetz nicht entgegenstehe. Zunächst sei der gestellte Antrag nicht bereits als rechtsmissbräuchlich zu betrachten, weil dieser über das Online-Portal „Topf-Secret“ gestellt worden sei. Es sei nicht beabsichtigt, die Anfrage über dieses Portal zu beantworten. Die Auskunftserteilung nach dem Verbraucherinformationsgesetz erfolge grundsätzlich über den Postweg an eine verifizierte Adresse. Gleichzeitig werde der Beigeladene darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Verwendung der zur Verfügung gestellten Informationen ab diesem Zeitpunkt seinem persönlichen Verantwortungsbereich unterliege. Weiter werde die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 13.12.2019 - 10 S 2614/19 - dargelegte Rechtsauffassung geteilt: § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG normiere ein „Jedermannsrecht“, wobei für das Informationszugangsrecht die Unterstützung des Antragstellers (hier: Beigeladener), z. B. durch eine Internet-Plattform, unerheblich sei. § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG sei mit Unionsrecht vereinbar. Eine „nicht zulässige Abweichung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG müsse nicht durch Verwaltungsakt festgestellt werden. Auch bedürfe es keines vorwerfbaren Verhaltens, das im Rahmen eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens geahndet worden sei bzw. geahndet werden solle. Eine mutmaßliche Weiterverwendung rechtmäßig erlangter Informationen durch den Antragsteller (hier: den Beigeladenen) sei für das VIG-Verfahren unerheblich. Die für § 40 Abs. 1 a LFGB geltenden Standards zur Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand seien auf den individuellen Informationszugang nach § 2 Abs. 1 VIG nicht zu übertragen. Im Übrigen werde auch nicht die Auffassung der Antragstellerin geteilt, dass es sich aufgrund des Umstandes, dass sich der Familienname der Geschäftsführer im Unternehmensnamen wiederspiegle, bei Auskunft nach dem Verbraucherinformationsgesetz um die Weitergabe personenbezogener Daten handle, die dem besonderen Schutz der Datenschutzgrundverordnung unterlägen.
- 15
Gegen den Bescheid vom 11.05.2020 erhob die Antragstellerin am 22.05.2020 Widerspruch und stellte am 25.05.2020 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe den vorliegenden Eilantrag.
- 16
Zur Begründung vertieft sie ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, dass der angefochtene Bescheid bereits in formeller Hinsicht offensichtlich rechtswidrig sei, da das Landratsamt ... kein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren durchgeführt habe. Nach § 5 Abs. 1 VIG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG sei einem Beteiligten, in dessen Rechte ein Verwaltungsakt eingreife, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gehörten selbstverständlich auch diejenigen Informationen, die der Antragsgegner als „nicht zulässige Abweichungen“ werte und deren Herausgabe er beabsichtige. Ohne Kenntnis dieser Informationen sei ihr eine fundierte Äußerung im Rahmen des ihr zustehenden Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht möglich. Zwar würden die Anhörungsvorschriften nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG mit der Maßgabe gelten, dass von einer Anhörung auch abgesehen werden könne. Soweit es um die Weitergabe von Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ginge, könne die informationspflichtige Stelle von dieser Möglichkeit jedoch nur dann Gebrauch machen, wenn für sie absehbar sei, dass der Dritte gegen die Weitergabe keine Einwände geltend machen werde. Dies sei ersichtlich nicht der Fall, nachdem sie mehrfach um konkrete Benennung der von einer Herausgabe betroffenen Informationen gebeten habe, um hiervon die weitere Vorgehensweise abhängig machen zu können. Eine ordnungsgemäße Anhörung sei nicht erfolgt. Es sei sinnlos und erfülle nicht den Sinn und Zweck einer Anhörung, wenn der Antragsgegner zwar die Herausgabe von Informationen über „nicht zulässige Abweichungen“ ankündige, nicht aber mitteile, welche Kontrollergebnisse derartige „nicht zulässige Abweichungen“ darstellen sollten. Diese offensichtliche formelle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sei auch nicht etwa unbeachtlich. Der Anhörungsmangel könne insbesondere auch nicht in dem vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geheilt werden. Denn aufgrund der zu erwartenden Beiladung des VIG-Antragstellers zum vorliegenden Verfahren habe sie keine Möglichkeit mehr, sich inhaltlich detailliert mit den Informationen auseinanderzusetzen, deren Herausgabe der Antragsgegner im Wege des Sofortvollzugs beabsichtige. Denn hierdurch würden die streitgegenständlichen Informationen, gegen deren Herausgabe sie sich wende, bereits mittelbar an den Beigeladenen gewährt, was zwingend die Vorwegnahme der Hauptsache zur Folge hätte. Sie könne sich daher im vorliegenden Verfahren nur allgemein und abstrakt zu den streitgegenständlichen Informationen äußern, die Möglichkeit einer detaillierten Stellungnahme und Auseinandersetzung sei durch den Antragsgegner vereitelt worden. Der Regelungsgehalt des angefochtenen Verwaltungsakts sei immer noch völlig unklar, da nicht bekannt sei, welche im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Betriebskontrollen getätigten Feststellungen „nicht zulässige Abweichungen“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG darstellten und damit von der beabsichtigten Informationsgewährung umfasst seien. Auch die seitens des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren vorgelegten geschwärzten Feststellungen über „nicht zulässige Abweichungen“ führten nicht weiter, da nach wie vor nicht bekannt sei, welche Informationen zu gewähren beabsichtigt sei. Es sei weder eine inhaltliche, noch eine rechtliche Überprüfung möglich. Weiter macht sie geltend, eine Informationsgewährung verstoße gegen Art. 8 Abs. 3 Buchst. b EU-Kontrollverordnung 2017/625, greife unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein, beachte nicht die Grundrechtsverbürgungen der EU und missachte den Entschließungsantrag des Bundesrates vom 14.02.2020 zur Änderung des VIG (hiernach sei insbesondere darauf zu achten, dass Datei-Spiegelungen oder sonstige Verbreitungsformen der Information zuverlässig ausgeschlossen würden). Im Übrigen sei nach Art. 8 Abs. 5 Kontrollverordnung über die Beseitigung der Mängel zu informieren.
- 17
Die Antragstellerin beantragt,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.05.2020 gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 11.05.2020 anzuordnen,
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hilfsweise festzustellen, dass der eingelegte Widerspruch vom 22.05.2020 gegen den Bescheid des Landratsamts ... aufschiebende Wirkung hat.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, es sei zunächst ohne Belang, auf welchem Weg ein Antrag auf Auskunftserteilung nach dem Verbraucherinformationsgesetz eingehe. Die Kritik an der Internet-Plattform „Topf Secret“ sei aufgegriffen worden. So erfolge - mit Ausnahme der Eingangsbestätigung, die per Mail versandt werde - der Schriftverkehr mit den Antragstellern grundsätzlich auf dem Postweg. Die vielfach geäußerte Befürchtung der umgehenden Veröffentlichung der Informationen im Internet sei mit Blick auf die entsprechende Internetseite nicht begründet. Bei der Überarbeitung des Verbraucherinformationsgesetzes sei der Bundesregierung ausdrücklich daran gelegen gewesen, das Verbraucherinformationsgesetz als „echtes Verbraucher- und Bürgergesetz weiterzuentwickeln, die Emanzipation und Selbstverantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter zu stärken und sie in noch größerer Zahl zur unmittelbaren und eigenständigen Wahrnehmung ihrer Auskunftsrechte zu ermutigen. Hierzu enthält der Gesetzentwurf eine Reihe von Regelungen, wie z. B. (...) die Ermöglichung einer formlosen Antragstellung (z. B. mündlich oder per Email)“ (hierfür verweist der Antragsgegner auf BT-Drs. 17/7274, Abschnitt II.1.). Soweit die Antragstellerin geltend mache, sich nicht hinreichend zu entscheidungserheblichen Tatsachen äußern haben zu können, sei davon auszugehen, dass Anwälte aus einer u. a. auf Lebensmittelrecht spezialisierten Kanzlei in der Lage seien, anhand des Kontroll- bzw. Mängelberichts die darin dokumentierten, nicht zulässigen Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Bestimmungen selbst herzuleiten. Sofern gewünscht, könne anhand eines fiktiven Mängelberichts dargestellt werden, in welcher Form die Auskunftserteilung erfolgen solle. Im Übrigen sei das Verbraucherinformationsgesetz verfassungsgemäß und europarechtskonform. Es handle sich vorliegend auch im Hinblick auf die Firmierung nicht um personenbezogene Daten. In der Folge hat der Antragsgegner in geschwärzter Form die im vorliegenden Fall beabsichtigte Auskunftserteilung sowie zur Erläuterung das Muster einer Auskunft im „Klartext“ übersandt:
- 23
„Auskunft nach dem VIG Lebensmittelunternehmer: ... Feststellungen bei der Kontrolle am 25.02.2020 Nicht zulässige Abweichungen von der jeweiligen gesetzlichen Norm (s. Anhang) sind mit deren jeweiligen Nr. gekennzeichnet (z.B. #05) Raum 4106 Hygieneschleuse ... #x (...)
- 24
Vorschriften, hinsichtlich derer bei den o.g. Kontrollen unzulässige Abweichungen festgestellt wurden:
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#01 Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, müssen sauber und stets instand gehalten sein (Anhang II Kapitel I Nr. 1 der Verordnung (EG) 852/2004) #02 (...)“
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Der Beigeladene hat sich bislang nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte, die seitens des Gerichts ohne die Kontrollberichte und mit einer geschwärzten Aufstellung der festgestellten Abweichungen angefordert wurde, verwiesen.
II.
- 28
Der Hauptantrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.05.2020 gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 11.05.2020 anzuordnen, ist zulässig (dazu 1.) und begründet (dazu 2.). Über den Hilfsantrag war daher nicht mehr zu entscheiden.
- 29
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des erhobenen Widerspruchs der Antragstellerin ist gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 5 Abs. 4 Satz 1 des Verbraucherinformationsgesetzes - VIG - statthaft und auch im Übrigen zulässig.
- 30
Der Widerspruch gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 11.05.2020 hat gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung, da sich das Informationsbegehren des Beigeladenen unstreitig auf den Zugang zu Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG richtet.
- 31
Die Antragstellerin als Drittbetroffene ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO auch antragsbefugt. Sie kann zum einen eine mögliche Verletzung der einfachgesetzlichen drittschützenden Norm des § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG geltend machen, die ausdrücklich den Schutz privater Rechte vorsieht. Zum anderen kann sie sich wegen der Herausgabe von Informationen über Mängel in ihrem Betrieb auf ihr grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf ihre Berufsfreiheit (Art. 12 GG) berufen (vgl. nur VG Karlsruhe, Beschluss vom 16.09.2019 - 3 K 5407/19 - juris Rn. 18 m. w. N.).
- 32
2. Der somit zulässige Antrag ist auch begründet.
- 33
a) Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht eine eigene, originäre Ermessensentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse sowie das Interesse des Beigeladenen an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Wird der Rechtsbehelf in der Hauptsache bei summarischer Prüfung hingegen offensichtlich erfolgreich sein, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
- 34
In Verfahren, in denen – wie vorliegend – das Eilverfahren praktisch die Funktion des Hauptsacheverfahrens einnimmt, ist zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) eine dem Hauptsacheverfahren angenäherte, vertiefte Prüfung der Sach- und Rechtslage geboten (vgl. hierzu Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Februar 2019, § 80 Rn. 411 m. w. N.). Dass sich der zu gewährleistende (effektive) Rechtsschutz in einer Konstellation wie der vorliegenden alle in im gerichtlichen Eilverfahren abspielen soll, aber auch kann, war dem Gesetzgeber durchaus bewusst. In der Begründung zum Gesetzesentwurf kommt klar zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber das Interesse der Öffentlichkeit an einer schnellen Information in Kenntnis der durch den Sofortvollzug entstehenden Folgen für betroffene Dritte für „überragend“ hält, da nach einem längeren Zeitraum die Informationen „weitgehend wertlos“ seien (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 18 f.). Diese Wertung ist im Rahmen der Abwägung ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. nochmals VG Karlsruhe, Beschluss vom 16.09.2019 - 3 K 5407/19 - juris Rn. 21 m. w. N.).
- 35
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen fällt die Interessenabwägung vorliegend zugunsten der Antragstellerin aus. Denn ihr Widerspruch hat aller Voraussicht nach Erfolg, mit der Folge, dass ihr Aussetzungsinteresse im Rahmen der Abwägung gegenüber dem Vollzugsinteresse überwiegt. Dies folgt nach Auffassung der Kammer bereits daraus, dass die begehrten Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG in Gestalt „festgestellter nicht zulässiger Abweichungen“ (unter aa) zum hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung durch den Beigeladenen (unter bb) nicht vorlagen und eine „Nachholung“ der insoweit vorzunehmenden rechtlichen Bewertung tatsächlicher Beanstandungen im gerichtlichen Eilverfahren nicht in Betracht kommen dürfte (unter cc). Eines Eingehens auf die von der Antragstellerin aufgeworfenen weiteren rechtlichen Bedenken namentlich im Hinblick auf die Verfassungskonformität und Vereinbarkeit mit Unionsrecht des Verbraucherinformationszugangsanspruchs aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG bedurfte es danach hier nicht mehr.
- 36
aa) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes (Buchstabe a), der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen (Buchstabe b), unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze (Buchstabe c) sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a bis c genannten Abweichungen getroffen worden sind, (Informationen), die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 unabhängig von der Art ihrer Speicherung vorhanden sind. Der Anspruch nach Satz 1 besteht insoweit, als kein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 3 vorliegt.
- 37
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VIG wird die Information auf Antrag erteilt. Der Antrag muss hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VIG). Ferner soll der Antrag den Namen und die Anschrift des Antragstellers enthalten (§ 4 Abs. 1 Satz 3 VIG). Die jeweils nach Bundes- oder Landesrecht zuständige Stelle ist nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VIG nicht dazu verpflichtet, Informationen, die bei ihr nicht vorhanden sind oder auf Grund von Rechtsvorschriften nicht verfügbar gehalten werden müssen, zu beschaffen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewährt § 2 Abs. 1 VIG einen „prinzipiell voraussetzungslosen“ Anspruch auf Gewährung der bei einer Behörde vorhandenen Informationen (BVerwG, Beschluss vom 15.06.2015 - 7 B 22.14 - juris Rn. 9 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.08.2019 - 7 C 29.17 - NJW 2020, S. 1155, BVerwGE 166, 233, juris Rn. 14). Entsprechend dem gesetzgeberischen Leitbild des „mündigen Verbrauchers“ sollen diesem die bei der Behörde vorhandenen Informationen grundsätzlich ungefiltert zugänglich gemacht werden. So ist durch die Schaffung eines weiten Informationszugangs bezweckt, Einzelpersonen zu Sachwaltern des Allgemeininteresses zu machen (vgl. BayVGH, Urteil vom 16.02.2017 - 20 BV 15.2208 - juris Rn. 38).
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Die bisher umstrittene Frage, ob eine nicht zulässige Abweichung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG durch Verwaltungsakt festgestellt sein muss, ist nunmehr vom Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich dahingehend geklärt, dass es einer solchen Feststellung durch Verwaltungsakt nicht bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.2019 - 7 C 29.17 - NJW 2020, S. 1155, BVerwGE 166, 233, juris Rn. 30 ff., kritisch hierzu unter dem Gesichtspunkt eines von ihm angenommenen Rechtsschutzdefizits Rossi, JZ 2020, S. 573, 574 f.). Ausreichend – aber auch erforderlich – ist vielmehr, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung des Verbraucherinformationsgesetzes vom 17.10.2012 die juristisch-wertende Prüfung einer nicht zulässigen Abweichung durch die Überwachungsbehörde sicherstellen. Weitere Handlungsoptionen hatte der Evaluationsbericht der Bundesregierung unter 6.4 (Optimierungsmöglichkeiten bezüglich des VIG) aufgezeigt. Dort wurde die Frage aufgeworfen, ob eine Präzisierung des Begriffs des „Rechtsverstoßes“ dahingehend erfolgen solle, dass hiermit nur rechtskräftig festgestellte Verstöße gemeint seien oder Beanstandungen der chemischen Untersuchungsämter genügten. Eine solche Ergänzung des Begriffs „Rechtsverstoß“ hat der Gesetzgeber indes nicht vorgenommen. Es würde auch das Ziel des Verbraucherinformationsgesetzes, den Verbraucher zeitnah zu informieren (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 VIG), nicht erreicht, wenn der Informationszugang von der Bestandskraft der Abweichungsfeststellung abhinge. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem zu einer Verbraucherinformation auf der Grundlage des § 40 Abs. 1a LFGB ergangenen Beschluss vom 21. März 2018 (- 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 43) betont, dass dann, wenn ein Verstoß bestands- oder rechtskräftig festgestellt sein müsste, die Information der Öffentlichkeit durch die vielfach zu erwartende Einlegung von Rechtsbehelfen voraussichtlich herausgezögert und die Informationsregelung damit um ihre Effektivität gebracht würde. Auch wenn es sich bei der Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB um einen Akt aktiver staatlicher Verbraucherinformation handelt, kann diese Überlegung auf den hier vorliegenden Fall einer antragsgebundenen Information übertragen werden. Auch insoweit gilt, dass die Auskunftsansprüche weitgehend um ihre Effektivität gebracht würden, wenn ihre Durchsetzung durch die Einlegung von Rechtsbehelfen unter Umständen um Jahre verzögert würde. Eine Erhöhung der Markttransparenz und eine Steuerung von Kaufentscheidungen, wie sie das Verbraucherinformationsgesetz bezweckt, setzen aber voraus, dass der Zugang zu Informationen zeitnah erfolgt. Das insoweit gegebene Beschleunigungsinteresse wird auch durch die im Regelfall nur einen Monat betragende Bescheidungsfrist über entsprechende Anträge verdeutlicht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VIG). Um jedoch zu vermeiden, dass auch vorläufige Überlegungen und juristisch noch nicht von der zuständigen Stelle tatsächlich und rechtlich gewürdigte Informationen, mithin solche Informationen, die noch keine gesicherte Erkenntnis über eine Abweichung bieten, bereits zum Gegenstand des Informationsbegehrens gemacht werden können, ist es jedoch erforderlich, dass die Abweichung von der zuständigen Stelle unter Würdigung des Sachverhalts und einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 29.08.2019 - 7 C 29.17 - NJW 2020, S. 1155, BVerwGE 166, 233, juris Rn. 30-32 m. w. N. zur BT-Drs. 17/7374).
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In dieser Auslegung wird § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenbestimmtheit gerecht. Das verfassungsrechtliche Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit soll die Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Die Bestimmtheitsanforderungen dienen auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen sowie, soweit sie zum Schutz anderer tätig wird, den Schutzauftrag näher zu konkretisieren. Je ungenauer die Anforderungen an die dafür maßgebende tatsächliche Ausgangslage gesetzlich umschrieben sind, umso größer ist das Risiko unangemessener Zuordnung von rechtlich erheblichen Belangen. Dass ein Gesetz unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, führt allein noch nicht zu einem Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justiziabilität. Allerdings muss das Gesetz so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die von der Norm Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind von Verfassungs wegen hinzunehmen. Diesen Anforderungen wird § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG gerecht. Der Bedeutungsgehalt des Merkmals „festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen“ ist, wie vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigt, im Wege der Auslegung konkretisierbar. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG weist hinreichend deutliche Konturen auf, um sowohl der Behörde als auch dem Unternehmen und den Verbrauchern aufzuzeigen, in welchen Fällen nicht zulässige Abweichungen von den Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und des Produktsicherheitsgesetzes gegeben sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 29.08.2019 - 7 C 29.17 - NJW 2020, S. 1155, BVerwGE 166, 233, juris Rn. 38-40, m. w. N.).
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Da es sich im Fall eines Rechtsverstoßes auch um ein rechtsnormatives Werturteil handelt, muss die „nicht zulässige Abweichung“ zudem von der zuständigen Überwachungsbehörde (und z. B. nicht nur von einem Untersuchungslabor) festgestellt werden. Demnach genügt ein Untersuchungsergebnis in einem naturwissenschaftlich-technischen Sinne den gesetzlichen Anforderungen nicht, hinzutreten muss vielmehr die rechtliche Würdigung des Untersuchungsergebnisses durch die zuständige Überwachungsbehörde mit Darlegung der Gründe, die zu dem Verdikt „nicht zulässige Abweichungen“ führen. Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers anlässlich der sprachlichen Fassung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG: Nicht hinreichend ist danach eine „Beanstandung“ von Untersuchungsämtern auf der Basis naturwissenschaftlich-analytischer Erkenntnisse, vielmehr bedarf die „Feststellung“ einer zusätzlichen juristisch-wertenden Einordnung seitens der zuständigen Überwachungsbehörde (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.2019 - 10 S 1891/19 - juris Rn. 22 m. w. N.).
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bb) Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Prozessrecht einen Grundsatz, wonach im Rahmen einer Anfechtungsklage (entsprechend hier: im Rahmen eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung) die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes stets nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen ist, nicht kennt, sondern letztlich dem materiellen Recht nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20, juris Rn. 13).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorhandensein der – wie nunmehr vom Bundesverwaltungsgericht konkretisierten – in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG als „festgestellte nicht zulässige Abweichungen“ legaldefinierten „Informationen“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Informationsfreiheitsrecht jedoch bereits der Eingang des Antrags auf Informationszugang bei der informationspflichtigen aktenführenden Behörde. Danach muss diese die Unterlagen zur Prüfung von Ausschlussgründen und zur Erfüllung eines möglicherweise gegebenen Anspruchs vorhalten; sie darf sie – vorbehaltlich etwaiger Löschungsregelungen mit zwingenden Fristen, die für abweichende Belange keinen Raum lassen – in der Folge weder weggeben noch vernichten (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 17.03.2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, S. 1014, BVerwGE 154, 231, juris 3. Leitsatz und Rn. 41 betreffend die Passivlegitimation der früheren Treuhandanstalt).
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Im Einklang mit dieser – wenn auch in anderem Zusammenhang ergangenen – Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geht die Kammer davon aus, dass auch der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung „festgestellter nicht zulässiger Abweichungen“ von Rechtsvorschriften im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG derjenige der Antragstellung auf Informationsgewährung ist.
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(1) Dies ergibt sich bereits hinreichend eindeutig aus dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften. Der Zugangsanspruch erstreckt sich danach (allein) auf bereits vorliegende bzw. vorhandene Informationen. Denn nach § 1 VIG erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher freien Zugang zu den bei informationspflichtigen Stellen vorliegenden Informationen. Im Einklang hiermit sieht auch § 2 Abs. 1 Satz 1 a. E. VIG vor, dass freier Zugang (allein) zu Informationen gewährt werden, die bei einer informationspflichtigen Stelle im Sinne des Absatzes 2 unabhängig von der Art der Speicherung vorhanden sind. Schließlich stellt auch § 4 Abs. 2 Satz 2 VIG noch einmal klar, dass die jeweils informationspflichtige Stelle nicht dazu verpflichtet ist, Informationen, die bei ihr nicht vorhanden sind oder auf Grund von Rechtsvorschriften nicht verfügbar gehalten werden müssen, zu beschaffen.
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(2) Hierfür sprechen auch systematische Erwägungen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VIG kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn es sich um die Weitergabe von Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG handelt. Der Gesetzgeber hat hier angesichts des Vorliegens von Rechtsverstößen dem öffentlichen Interesse Vorrang gegenüber der Rechtsposition des Unternehmens eingeräumt (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 18). Gleiches gilt, soweit der Gesetzgeber den hier relevanten Fall des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG vom Ausschlussgrund entgegenstehender öffentlicher Belange im Falle laufender Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren für Informationen, die Gegenstand dieser Verfahren sind, ausdrücklich ausgenommen hat (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b a. E.). Die Rechtfertigung dieser Rechtsschutzbeschränkungen dürfte jedoch notwendigerweise voraussetzen, dass diese Rechtsverstöße bereits zu dem Zeitpunkt, in dem – im Rahmen einer Ermessensentscheidung seitens der Behörde – von einer Anhörung abgesehen wird, festgestellt sind. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit im Falle der festgestellten nicht zulässigen Abweichungen (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG), die wiederum durch das Vorliegen von Rechtsverstößen gerechtfertigt wird (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 18) und dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen, d. h. zeitnahen Information über marktrelevanten Tatsachen Vorrang gegenüber dem Schutz gegen vorläufige, teils irreversible Rechtsnachteile einräumt. Dem Unternehmen muss es – im Einklang mit dem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz, dass ein Staatsbürger, in dessen Rechte eingegriffen wird, Anspruch darauf hat, die Gründe dafür zu erfahren (vgl. hierzu nur BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 u.a. - BVerfGE 49, 24, juris Rn. 135 m. w. N. zur Rspr. des BVerfG; grundlegend BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, juris Rn. 41) – vielmehr möglich sein, sich auch gegen die – zunächst mit Blick auf hygienerechtliche Vorschriften, mittelbar aber mit Bedeutung für die Einordnung als „festgestellte nicht zulässige Abweichung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG – getroffene juristische Subsumtion und nicht nur gegen die (tatsächlichen) Beanstandungen wenden zu können.
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Dies spricht entscheidend dafür, als „festgestellte nicht zulässige Abweichungen“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG nur solche Beanstandungen von Untersuchungsämtern auf der Basis naturwissenschaftlich-analytischer Erkenntnisse anzusehen, deren juristisch-wertende Einordnung dem betroffenen Betrieb im Zeitpunkt des Eingangs des Auskunftsbegehrens bei der Behörde bereits – im Rahmen des lebensmittelrechtlichen Verfahrens – zur Kenntnis gebracht wurden. Denn nur hinsichtlich solcher Informationen, zu deren inhaltlicher – in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht – Richtigkeit der informationsbetroffene Betrieb bereits im Rahmen des lebensmittelrechtlichen Verfahrens Stellung beziehen konnte, erscheint es gerechtfertigt, nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VIG von einer Anhörung abzusehen und einem Rechtsbehelf gegen die nach § 5 Abs. 2 Satz 3 VIG auch dem betroffenen Unternehmen mitzuteilende Entscheidung keine aufschiebende Wirkung beizulegen (§ 5 Abs. 4 Satz 1 VIG).
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Jedenfalls dürfte dem betroffenen Unternehmen zunächst rechtliches Gehör zu den in dem genannten Sinne „festgestellten nicht zulässigen Abweichungen“ einzuräumen sein, um diesem mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Möglichkeit zu geben, sich in Kenntnis des rechtlichen Vorwurfs gegen die von der informationspflichtigen Behörde vorgenommene rechtliche Subsumtion wenden zu können. In dem vorliegenden Drittanfechtungsverfahren ist es der Antragstellerin nicht (mehr) möglich, sich sinnvoll gegen die Feststellungen zu wehren. Zum einen hat sie bislang noch keine Kenntnis von den Feststellungen erhalten, da die Behörde ihr diese (unabhängig von dem vorliegenden Informationsgewährungsverfahren) bislang nicht übersandt hat. Zum anderen würde dies letztlich zur einer (teilweisen) Vorwegnahme der Hauptsache führen, da der Beigeladene Kenntnis von den Einwendungen erhalten würde, die hinreichend konkret darlegen müssten, weshalb die vorgenommenen tatsächlichen Beanstandungen nach Auffassung der Antragstellerin keine „nicht zulässigen Abweichungen“ von Rechtsvorschriften im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG darstellten.
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(3) Im Übrigen spricht hierfür auch der Wille des Gesetzgebers, den „auskunftspflichtigen Tatbestand“ nunmehr als eine von der zuständigen Stelle „festgestellte Abweichung von Rechtsvorschriften“ zu definieren (vgl. nochmals BT-Drs. 17/7374, S. 14 f. unter Bezugnahme insbesondere auf VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.09.2010 - 10 S 2/10 - juris Rn. 23 ff.). Auch in dieser Begründung des Gesetzgebers für die gewählte Begrifflichkeit kommt zum Ausdruck, dass (nur) bereits (abschließend) festgestellte Abweichungen auskunftspflichtig sein sollten.
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(4) Schließlich stützen auch Sinn und Zweck des Verbraucherinformationsrechts dieses Auslegungsergebnis. Denn das Verbraucherinformationsgesetz vermittelt dem Verbraucher – wie allgemein im Informationsrecht anerkannt (st. Rspr. vgl. nur zum IFG: BVerwG, Beschluss vom 27.05.2013 - 7 B 43.12 - juris Rn. 11) – gerade keinen Informationsbeschaffungsanspruch. Dieser allgemeine Grundsatz des Informationsfreiheitsrechts findet sich nicht nur in der bereits genannten Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 VIG ausdrücklich normiert, wonach „die jeweils informationspflichtige Stelle nicht dazu verpflichtet ist, Informationen, die bei ihr nicht vorhanden sind oder auf Grund von Rechtsvorschriften nicht verfügbar gehalten werden müssen, zu beschaffen“. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu auch im Kontext des von ihm verfassungsunmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Auskunftsanspruchs der Presse gegenüber den – nicht den Landespressegesetzen unterfallenden – Bundesbehörden folgende grundsätzliche Ausführungen gemacht (BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12 - juris Rn. 30):
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„Der im vorstehend beschriebenen Umfang durch Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG gewährleistete Informationszugang beschränkt sich auf die bei der informationspflichtigen Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen. Das sind diejenigen Informationen, die zum Zeitpunkt des begehrten Informationszugangs tatsächlich vorliegen. Aus der Pflicht der Behörde, die Pressetätigkeit ausschließlich durch Offenlegung bestimmter Fakten und Tatsachen auf Grund konkreter Fragen zu unterstützen, folgt eine Begrenzung des Auskunftsrechts der Presse; denn diesem Recht auf Auskunft korrespondiert die Pflicht der Behörde zur Auskunftserteilung. Die Frage darf nicht so allgemein gehalten sein und ohne Bezug zu einem konkreten Tatsachenkomplex, dass zu ihrer Beantwortung eine Sachverhaltsforschung und Untersuchung seitens der Behörde erforderlich wird (Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 93): Das Auskunftsrecht führt also nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht zu Lasten der Behörde. Müssen Informationen erst durch Untersuchungen generiert werden, sind sie als Gegenstand eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs noch nicht vorhanden.“
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Diese Überlegungen erscheinen der Kammer auch auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar, in der die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG begehrten Informationen in Form „festgestellter nicht zulässiger Abweichungen“ gerade dadurch gekennzeichnet sind, dass nicht nur – hier unstreitig vorliegende – Beanstandungen in tatsächlicher Hinsicht vorliegen müssen, sondern eben auch deren rechtliche Qualifikation und Bewertung durch die für Lebensmittelkontrollen zuständige Behörde. Müssten letztere – wie in der vorliegenden Fallgestaltung – im Zeitpunkt des Antragseingangs auf Grundlage der ersteren zunächst noch generiert werden, waren sie als Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG demnach noch nicht vorhanden.
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cc) Vorliegend lagen nach alledem zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung durch den Beigeladenen auf Informationsgewährung am 11.04.2020 noch keine „festgestellten nicht zulässigen Abweichungen“ vor. Dabei kann dahinstehen, ob die zwischenzeitlich im gerichtlichen Verfahren in geschwärzter Fassung übersandten „Feststellungen“ überhaupt den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG genügen (vgl. hierzu mit großzügiger Tendenz VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.2019 - 10 S 2614/19 - juris Rn. 10). Denn zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags des Beigeladenen beim Landratsamt ... lagen diesem lediglich Beanstandungen in tatsächlicher Hinsicht vor, nicht aber einer abschließenden rechtlichen Bewertung zugeführte Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Diese Informationen wurden vielmehr erst im gerichtlichen Verfahren generiert, ohne dass der Antragstellerin zunächst im lebensmittelrechtlichen Verfahren rechtliches Gehör eingeräumt wurde, um sich in Kenntnis des rechtlichen Vorwurfs gegen die nunmehr vorgenommene rechtliche Subsumtion wenden zu können (s. hierzu bereits oben unter (2)). Jedenfalls nach Abschluss eines solchen behördlichen Verfahrens nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch wäre es dem Beigeladenen im Übrigen unbenommen, einen neuen Antrag nach dem Verbraucherinformationsgesetz zu stellen, dem zu diesem Zeitpunkt die hier aufgeworfenen rechtlichen Hindernisse nicht mehr entgegenstünden.
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Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg es für möglich gehalten hat, die rechtliche Zuordnung derartiger tatsächlicher Beanstandungen noch im laufenden Gerichtsverfahren vorzunehmen, verhält sich diese Entscheidung nicht zu der hier aufgeworfenen Frage betreffend den maßgeblichen Zeitpunkt des Vorhandenseins der Informationen, sondern vorrangig zur Berücksichtigungsfähigkeit neuer Tatsachen im Beschwerdeverfahren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.2019 - 10 S 1891/19 - juris Rn. 5, 23). Aus den vorstehend genannten Gründen dürfte aber eine solche „Nachholung“ des jeweiligen rechtlichen Vorwurfs nach den von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG in Bezug genommenen Vorschriften des deutschen und unionsrechtlichen Hygienerechts, insbesondere des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, gegenüber dem Unternehmen erst auf Veranlassung und im Rahmen eines Verfahrens auf Informationsgewährung nach dem Verbraucherinformationsgesetz nicht zulässig sein, da andernfalls der ohnehin stark beschnittene (vgl. nochmals §§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 VIG) Rechtsschutz des betroffenen Unternehmens – der nach den vorstehenden Ausführungen sachgerecht bereits dem Verfahren nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch zuzuweisen sein dürfte – im Ergebnis unzulässig verkürzt würde.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da im vorliegenden Fall die Hauptsache nicht vorweggenommen wird, war der hier anzusetzende Auffangstreitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Anlehnung an Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 zu halbieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.2019 - 10 S 1891/19 - juris Rn. 52: keine Halbierung bei Informationserteilung wegen der Nichtrückholbarkeit einmal erteilter Informationen).
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