Gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus einer
Lebensversicherung nach § 9 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO
BMF vom 27.7.1995 (BStBl I S. 371)
IV A 4-S 0361-10/95
unter Berücksichtigung der Änderungen durch
BMF vom 25.3.2002 (BStBl I S. 476)
IV A 4-S 0361-4/02
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten
Finanzbehörden der Länder gilt für gesonderte Feststellungen nach
§ 9 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO folgendes:
I. Allgemeines
Setzt ein Steuerpflichtiger Ansprüche aus einer Lebensversicherung
i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst b Doppelbuchstaben bb, cc und dd EStG
während der Dauer der Versicherung im Erlebensfall zur Tilgung oder
Sicherung von Darlehen ein, deren Finanzierungskosten Betriebsausgaben
oder Werbungskosten sind, können die Versicherungsbeiträge grundsätzlich
nicht als Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Gegebenenfalls ist eine Nachversteuerung durchzuführen (§ 30 Abs.
2 EStDV). Soweit die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nicht
erfüllt sind, gehören die Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen
Sparanteilen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr.
6 Satz 3 EStG). In diesen Fällen muß das Versicherungsunternehmen
bei Verrechnung oder Auszahlung von Zinsen (z.B. bei Fälligkeit der
Versicherung) Kapitalertragsteuer einbehalten (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
Nach § 29 EStDV haben der Sicherungsnehmer, das Versicherungsunternehmen
und der Versicherungsnehmer dem zuständigen Finanzamt unverzüglich
die Fälle anzuzeigen, in denen Ansprüche aus Versicherungsverträgen
nach dem 13. Februar 1992 zur Tilgung oder Sicherung von Darlehen
eingesetzt werden.
II. Gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen
Nach § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (V zu
§ 180 Abs. 2 AO) ist die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und
rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen enthaltenen
Sparanteilen gesondert festzustellen. Der Feststellungsbescheid ergeht
gegenüber dem Versicherungsnehmer als Steuerschuldner. Außerdem ergeht
an das Versicherungsunternehmen eine Mitteilung über die Verpflichtung
zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer. Mit Eintritt
der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheids ist die Entscheidung
über die künftige Steuerpflicht der Zinserträge für den Steuerpflichtigen,
das Versicherungsunternehmen und die Finanzbehörden verbindlich. Dies
gilt nicht nur für die Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer,
sondern auch für die spätere Festsetzung der Einkommensteuer. Eine
Korrektur des Feststellungsbescheides ist nur nach Maßgabe der §§
129, 164, 165, 172-175 AO zulässig.
Die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids erstreckt sich
nur auf die künftige Steuerpflicht der Zinserträge, nicht auch auf
die Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben.
Für die im Falle der steuerschädlichen Verwendung durchzuführende
Nachversteuerung (§ 30 Abs. 2 EStDV) ist daher der Feststellungsbescheid
nicht Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO. Hieraus folgt
auch, daß bei den noch offenen Steuerfestsetzungen der Sonderausgabenabzug
anzuerkennen ist, wenn sich nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des
Feststellungsbescheids aufgrund späterer Rechtserkenntnisse herausstellt,
daß die Verwendung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung zu Finanzierungszwecken
steuerlich unschädlich ist.
III. Regelungsinhalt des Feststellungsbescheids
Gegenstand der gesonderten Feststellung nach § 9 der V zu §
180 Abs. 2 AO ist die verbindliche Entscheidung über die aus einer
bestimmten Verwendung der Ansprüche aus der Lebensversicherung sich
ergebenden steuerlichen Folgen hinsichtlich der rechnungsmäßigen und
außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen
enthaltenen Sparanteilen.
Die Steuerpflicht umfaßt grundsätzlich sämtliche Zinsen für
die gesamte Vertragslaufzeit. In diesem Fall ergeht nur ein Feststellungsbescheid,
der die uneingeschränkte Steuerpflicht aller Zinsen feststellt.
In den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG sind nur
die anteiligen Zinsen für bestimmte Kalenderjahre steuerpflichtig.
Insoweit ist die Regelung des Feststellungsbescheids auf die Feststellung
der Steuerpflicht der anteiligen Zinsen für das betroffene Kalenderjahr
beschränkt. Deshalb können bei "partieller" Steuerpflicht mehrere
Feststellungsbescheide, jeweils bezogen auf die anteiligen Zinsen
für die im einzelnen benannten Kalenderjahre, ergehen.
IV. Gesonderte Feststellung bei steuerunschädlicher Verwendung
Soweit die Zinsen aufgrund einer bestimmten Verwendung der Ansprüche
aus der Lebensversicherung nicht steuerpflichtig sind, liegen die
Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nach § 9 der V zu
§ 180 Abs. 2 AO nicht vor. Ein negativer Feststellungsbescheid ist
nur zu erteilen, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt (z.B. in
der Anzeige nach § 29 Abs. 1 EStDV, Vordruck ESt 29/1) 1). Das Finanzamt
ist bei der späteren Einkommensteuerveranlagung an die Entscheidung
im negativen Feststellungsbescheid gebunden. Seine Bindungswirkung
wird nur eingeschränkt, wenn er nach §§ 129, 164, 165 oder 172 ff.
AO berichtigt, aufgehoben oder geändert wird und ein Feststellungsbescheid
über die steuerschädliche Verwendung ergeht oder wenn aufgrund einer
anderen, steuerschädlichen Verwendung ein Feststellungsbescheid ergeht.
Hat der Steuerpflichtige einen Feststellungsbescheid erfolgreich angefochten
oder wurde er aus anderen Gründen aufgehoben, steht der Aufhebungsbescheid
einem negativen Feststellungsbescheid gleich.
V. Änderung der Verwendung nach zunächst steuerunschädlicher
Verwendung
Bei zunächst steuerunschädlicher Verwendung kann sich aus einer
späteren anderweitigen Verfügung (z.B. erneute Beleihung oder Umwidmung
des begünstigt angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgutes)
eine erstmalige partielle oder umfassende Steuerpflicht der Zinsen
ergeben. In diesem Fall ist der negative Feststellungsbescheid bzw.
der entsprechende Aufhebungsbescheid im Hinblick auf die Rückwirkung
der materiell-rechtlichen Folgen des neu hinzugetretenen Sachverhaltes
nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben und zugleich ein (neuer)
Feststellungsbescheid zu erlassen.
VI. Überschreitung des Drei-Jahres-Zeitraums
Überschreitet die Verwendung der Ansprüche aus der Lebensversicherung
den Drei-Jahres-Zeitraum nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG, führt
dies zur umfassenden Steuerpflicht aller Zinsen für die gesamte Laufzeit
des Versicherungsvertrages. In diesem Fall sind die bisher ergangenen
Feststellungsbescheide über die partielle Steuerpflicht nach § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben und ein Feststellungsbescheid über
die umfassende Steuerpflicht zu erteilen.
VII. Unterschreitung des Drei-Jahres-Zeitraums
Ist ein Feststellungsbescheid über die umfassende Steuerpflicht
der Zinsen ergangen, weil der Einsatz der Ansprüche aus der Lebensversicherung
zur Sicherung eines Betriebsmittelkredits zunächst für einen Zeitraum
von mehr als drei Jahren (z.B. unbefristet) vereinbart war, kann die
vorzeitige Beendigung dieses Einsatzes (z.B. bei Kündigung des Darlehensvertrages
oder bei Sicherheitentausch innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums) zu
einer rückwirkenden Änderung des Umfangs der Steuerpflicht der Zinsen
führen. In diesem Fall sind der Feststellungsbescheid über die umfassende
Steuerpflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben und zugleich
neue Feststellungsbescheide über die partielle Steuerpflicht zu erlassen.
VIII. Örtliche Zuständigkeit
Die gesonderte Feststellung nach § 9 der V zu § 180 Abs. 2 AO
obliegt dem für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers
örtlich zuständigen Finanzamt. Dies gilt auch für den Erlaß eines
negativen Feststellungsbescheides.
IX. Schlußbestimmungen
Die Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung
ist am 24. Dezember 1994 in Kraft getreten. § 9 der Verordnung zu
§ 180 Abs. 2 AO ist ab diesem Zeitpunkt auch in allen anhängigen Verfahren
anzuwenden. Deshalb kann ein Feststellungsbescheid über die künftige
Steuerpflicht der Zinsen aus einem Lebensversicherungsvertrag auch
dann ergehen, wenn die zugrundeliegende Verwendung vor dem 24. Dezember
1994 erfolgte.
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1) Satz 2 in der Fassung des BMF vom 25.3.2002 (BStBl I S. 476).