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Witwergeld für überlebenden Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft von Beamten
Leitsatz
1. Die Beschränkung des Witwergelds auf verheiratete Beamte stellt im Hinblick auf in eingetragener Lebenspartnerschaft lebende Beamte eine unmittelbare Diskriminierung dar. Diese knüpft unzulässiger Weise an die sexuelle Ausrichtung und nicht an den unterschiedlichen Familienstand an. (Rn.25)
2. Der überlebende Partner der eingetragenen Lebenspartnerschaft befindet sich hinsichtlich des Zwecks des Witwergelds in einer vergleichbaren Situation wie Ehepartner. (Rn.29)
Fundstellen
 ZBR 2010, 102-104 (Leitsatz und Gründe) weitere Fundstellen ...
Verfahrensgang
Tenor
Der Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 02.05.2005, soweit hierin die Bewilligung von Witwergeld abgelehnt wird, und dessen Widerspruchsbescheid vom 09.06.2008 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger das beantragte Witwergeld gemäß § 19 BeamtVG zu gewähren.
Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt die Gewährung von Witwergeld.
- 2
Der Kläger lebte ab 14.12.2001 mit dem am ... geborenen und am ... verstorbenen Gymnasiallehrer ... in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
- 3
Mit am 28.02.2005 eingegangenem Antrag beantragte er die Auszahlung von Sterbe- und Witwergeld. Nachdem der Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass der Kläger keinen Anspruch auf Sterbegeld nach § 18 Abs. 1 BeamtVG habe, bewilligte er ihm mit Bescheid vom 27.04.1005 Sterbegeld in Höhe von € 6.778,93 gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG.
- 4
Mit Schreiben vom 25.04.2005 machte der Kläger geltend, dass er einen Anspruch auf Sterbegeld gemäß § 18 Abs. 1 BeamtVG habe. Aufgrund der Umsetzung der EU-Richtlinie 2000/78/EG ab dem 02.12.2003 hätten Lebenspartner, die Beamte seien, Anspruch auf dasselbe Arbeitsentgelt wie verheiratete Beamte. Demzufolge sei die Gleichstellung eines Lebenspartners mit einem Ehegatten auch im Hinblick auf Sterbegeld sowie die Hinterbliebenenpension und das Witwengeld umzusetzen. Genauso wie Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst Anspruch auf die Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes nach dem Urteil des BAG vom 29.04.2004 hätten, sei dieser auch nach den Regelungen des BeamtVG umzusetzen. Nach § 5 LPartG seien die Partner einer Lebenspartnerschaft einander zum angemessenen Unterhalt verpflichtet und die familienrechtlichen Regelungen der §§ 1360 a und 1360 b BGB würden entsprechend gelten. Damit entsprächen die gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen denen von Ehegatten. Nachdem seit 01.01.2005 den Lebenspartnern von sozialversicherten Arbeitnehmern dieselbe Hinterbliebenenrente wie Ehegatten gewährt werde, könne für Beamte nichts anderes gelten. Es gebe keine sachliche Rechtfertigung für eine andere Behandlung, es stelle eine willkürliche Ungleichbehandlung dar, wenn der Gesetzgeber im Überarbeitungsgesetz (zum Lebenspartnerschaftsgesetz) nur die überlebenden Lebenspartner sozialversicherter Arbeitnehmer in die Hinterbliebenenversorgung einbezogen habe, da dieselben Maßstäbe auch auf die Beamtenversorgung anzuwenden seien.
- 5
Mit Bescheid vom 02.05.2005 lehnte der Beklagte den Antrag auf Sterbegeld nach § 18 Abs. 1 BeamtVG sowie auf Zahlung von Witwergeld nach § 19 BeamtVG ab. Zur Begründung führte er aus, der Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenenversorgung sei abschließend in den §§ 18 und 19 BeamtVG geregelt. Die Zahlung der beantragten Leistungen könne nach dem Wortlaut des Gesetzes nur an den hinterbliebenen Ehegatten erfolgen. Auf eingetragene Lebenspartnerschaften fänden diese Regelungen deshalb keine Anwendung. Aufgrund der strengen Gesetzesbindung (Art. 3 Abs. 1 BeamtVG) sei für die Versorgung eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Die Gesetzesbindung der Versorgung entspreche den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 GG. Damit seien Versorgungszahlungen ohne gesetzliche Grundlage unzulässig.
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Am 11.05.2005 erhob der Kläger Widerspruch. Nachdem ihm mit Bescheid vom 20.06.2005 ergänzend Sterbegeld bewilligt worden war, das sich an den geltend gemachten Aufwendungen (§ 18 Abs. 2 BeamtVG) unter Berücksichtigung der Höchstgrenze des § 18 Abs. 1 BeamtVG orientierte, nahm der Kläger insoweit den Widerspruch zurück.
- 7
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2008, ein Zustellungsnachweis fehlt, wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung den Widerspruch mit der Begründung zurück, aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 26.01.2006) ergebe sich, dass ein Anspruch auf Familienzuschlag nicht bestehe. Der Kläger gehöre nicht zum Personenkreis der §§ 19 und 28 BeamtVG. Eine analoge Anwendung dieser Regelungen scheide wegen des in § 3 BeamtVG zum Ausdruck kommenden Vorbehalts des Gesetzes aus. Deshalb könne sich der Kläger auch nicht auf nicht-versorgungsrechtliche Regelungen berufen. Die Grundnorm des Art. 33 Abs. 5 GG sei nicht dadurch verletzt, dass der Lebenspartner nicht in die Hinterbliebenenversorgung einbezogen sei. Diese sei Teil der Alimentationspflicht des Dienstherrn und umfasse lediglich die Beamtenfamilie im engeren Sinn, zu der neben dem jeweiligen Beamten nur dessen Ehegatte und Kinder, nicht aber Lebenspartner zählten. An dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung ändere sich nichts durch das Urteil des EuGH vom 01.04.2008 (Rs. 267/06 - juris-). Dieser habe entschieden, dass, wenn eine Hinterbliebenenversorgung als Entgelt in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG falle, deren 22. Begründungserwägung ihre Anwendung nicht in Frage stellen könne. Falls die Lebenspartnerschaft nach nationalem Recht Personen gleichen Geschlechts in eine Situation versetze, die in Bezug auf Hinterbliebenenversorgung mit der Situation von Ehegatten vergleichbar sei, stelle eine Regelung, die Versorgung nur überlebenden Ehegatten gewähre, eine unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne der Richtlinie dar. Es sei zu überprüfen, ob diese Situation vergleichbar sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Nichtannahmebeschluss vom 06.05.2008 - 2 BvR 1830/06 - unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung (B. v. 20.09.2007 - 2 BvR 855/06 -) ausgeführt, dass eine allgemeine rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft im deutschen Recht nicht bestehe. Der Gesetzgeber habe vielmehr an die beiden Rechtsinstitute unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft, die entsprechend der verfassungsrechtlichen Wertung des Art. 6 Abs. 1 GG zwischen diesen Partnerschaftsformen differenzierten. Eine Gleichstellung habe gerade nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprochen. Deshalb sei bei der gesetzlichen Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft gerade keine allgemeine Verweisungsnorm erlassen worden, sondern eine Übereinstimmung in einzelnen Bereichen sei vielmehr durch jeweils eigene Rechtsvorschriften geregelt worden. Eine vergleichbare Situation bestehe auch nicht speziell im Bereich des öffentlichen Dienstes. Insbesondere fehle gerade im Bereich der Besoldung und Versorgung eine derartige Gleichstellung. Maßgeblich für die normative Vergleichbarkeit von Ehe und eingetragener Partnerschaft sei die Ausgestaltung des öffentlichen Dienstrechts, nicht die zivilrechtliche Regelung der Unterhaltspflichten in Ehe und Lebenspartnerschaft, die inzwischen grundsätzlich übereinstimmten. Es werde in Anknüpfung an die verfassungsrechtliche Wertung in Art. 6 Abs. 1 GG der in der Lebenswirklichkeit anzutreffende typische Befund berücksichtigt, dass in der Ehe ein Ehegatte namentlich wegen der Aufgabe der Kindererziehung tatsächlich Unterhalt vom Ehegatten erhalte und so ein erweiterter Alimentationsbedarf bestehe. Demgegenüber habe der Gesetzgeber bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft keinen typischerweise bestehenden Unterhaltsbedarf gesehen, der eine rechtliche Gleichstellung nahelegen könnte. Da diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Familienzuschlag auch auf die Hinterbliebenenversorgung übertragbar seien, sei der Widerspruch zurückzuweisen.
- 8
Am 11.07.2008 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben.
- 9
Nachdem er zunächst beantragt hatte, den Bescheid des Beklagten vom 02.05.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 09.06.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Sterbegeld gemäß § 18 Abs. 1 BeamtVG sowie Witwergeld gemäß § 19 BeamtVG zu leisten und die Ansprüche der Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, nahm er die Klage bezogen auf die Bewilligung von Sterbegeld zurück.
- 10
Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, er begehre Hinterbliebenenpension nach der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 bzw. Hinterbliebenenpension nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Der Gesetzgeber habe deren Anpassung innerhalb der Umsetzungsfrist versäumt, so dass der Kläger so zu stellen sei, wie wenn die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden wäre. Aufgrund der EU-Richtlinie hätten Lebenspartner von Beamten Anspruch auf dasselbe Arbeitsentgelt wie verheiratete Beamte. Eine unterschiedliche Behandlung von Lebenspartnern und Ehegatten beim Arbeitsentgelt verstoße gegen die EU-Gleichstellungsrichtlinie 2000/78/EG, da sie eine verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der sexuellen Ausrichtung darstelle, soweit sich Lebenspartner und Ehegatten hinsichtlich des streitigen Entgelts in einer vergleichbaren Lage befänden. Die Hinterbliebenenversorgung habe ihren Ursprung im Beschäftigungsverhältnis des Partners und die Höhe der Versorgung knüpfe u.a. an die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses an, so dass es sich um Arbeitsentgelt handle. In seinen Entscheidungen vom 23.10.2003 (C-4/02) und 06.12.2007 (C-300/06) habe der EuGH zu erkennen gegeben, dass auch die Alimentation von Beamten unter Art. 141 EG falle, so dass der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG eröffnet sei. Die Vorenthaltung der Hinterbliebenenversorgung verstoße gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Es sei zu prüfen, ob die Benachteiligungen durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt sei. Nach diesem Prüfschema habe der EuGH in der Rechtssache C-267/06 „Maruko“ am 01.04.2008 die Verweigerung einer Hinterbliebenenrente für den Lebenspartner eines in einer Versorgungsanstalt „Versicherten“ beanstandet. Die Auffassung, der Gesetzgeber dürfe ein überholtes Bild von Ehe als Vorstufe zur Familie als Rechtfertigung heranzuziehen, sei angesichts der gesellschaftlichen Weiterentwicklung des Bildes von Ehe und Familie nicht haltbar. Es könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass Eheleute zwingend eine familiäre Ausrichtung in Bezug auf gemeinsame Kinder hätten. Tatsächlich sei festzustellen, dass die Zahl der kinderlosen Ehepaare, welche beide einer Berufstätigkeit nachgingen, und die Anzahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern sowie die Zahl Alleinerziehender nach sich ziehe, dass sich das Bild von Ehe und Familie in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt und gesellschaftlich verändert habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.08.2008 verwiesen.
- 11
Der Kläger beantragt - sachdienlich ausgelegt -,
- 12
den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 02.05.2005, soweit hierin die Bewilligung von Witwergeld abgelehnt wird, und dessen Widerspruchsbescheid vom 09.06.2008 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, dem Kläger Witwergeld gemäß § 19 BeamtVG zu gewähren.
- 13
Das beklagte Land beantragt,
- 14
die Klage abzuweisen.
- 15
Zur Begründung nimmt es Bezug auf die angefochtenen Bescheide.
- 16
Dem Gericht liegen die Akten des Landesamts für Besoldung und Versorgung vor. Darauf und auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 17
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.
- 18
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 2 VwGO eingestellt.
- 19
Die Klage, die sich sachdienlich ausgelegt (§ 86 Abs. 3 VwGO) nur auf die Gewährung von Witwergeld bezieht, da mögliche weitere Rechte sich bereits hieraus folgend ergeben, ist auch begründet. Die Ablehnung der Zahlung des Witwergelds an den Kläger durch das beklagte Land ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten, da er einen Anspruch hierauf hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
- 20
1. Für den geltend gemachten Anspruch findet sich im dafür geltenden Beamtenversorgungsgesetz keine Rechtsgrundlage. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, der gemäß § 28 BeamtVG auch für den Witwer Anwendung findet, erhält die Witwe eines Beamten auf Lebenszeit, der die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 erfüllt hat, oder eines Ruhestandsbeamten Witwengeld. Der Kläger ist nicht Witwer des verstobenen Beamten, da er nicht mit ihm verheiratet war, sondern in eingetragener Lebenspartnerschaft lebte. Auch eine analoge Anwendung des § 19 BeamtVG kommt nicht in Betracht, weil keine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen ist. Dies ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Lebenspartnerschaftsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 16.02.2001 (BGBl I S. 266), wonach beamtenrechtliche Bestimmungen, die sich auf das Bestehen einer Ehe beziehen und die auf das Bestehen einer Lebenspartnerschaft sinngemäß angewandt werden sollten, nicht Gesetz wurden. Auch im Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 15.12.2004 (BGBl I S. 3396) ist eine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe nicht erfolgt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 26.01.2006 - 2 C 43.04 -, NJW 2006, 1828 sowie BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 2 C 33.06 -, ZBR 2008, 381).
- 21
2. Ein Anspruch ergibt sich aber aus Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 (Amtsblatt Nr. L 303 v. 02.12.2000, S. 16). Danach ist Zweck der Richtlinie die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion und der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten. Im Sinne der Richtlinie bedeutet „Gleichbehandlungsgrundsatz“, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 genannten Gründe geben darf (Art. 2 Abs. 1).
- 22
a) Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG ist eröffnet. Diese gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 c) und Abs. 3 für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf (...) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts, nicht aber für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urt. v. 01.04.2008 - C-267/07 - <Maruko>, Juris) ist in erster Linie entscheidend, ob ein Ruhegehalt, auf dessen Grundlage sich ggf. die Hinterbliebenenversorgung errechnet, dem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wird, wobei zusätzliche Erwägungen u.a. der Sozialpolitik bzw. des Haushalts dann nicht entscheidend sind, „wenn die Rente nur für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern gilt, wenn sie unmittelbar von der geleisteten Dienstzeit abhängt und wenn ihre Höhe nach den letzten Bezügen berechnet wird“ (vgl. EuGH, aaO, Rdnr. 46 - 48).
- 23
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist festzustellen, dass das im Streit befindliche Witwergeld und somit die Hinterbliebenenversorgung einen familienbezogenen Anteil der Entlohnung und damit ein Arbeitsentgelt im Sinne dieser Richtlinie darstellt, denn das Witwengeld wird in Abhängigkeit zum Ruhegehalt, das sich aus der Anzahl der Dienstjahre ergibt, und in Abhängigkeit zur früheren Besoldung geleistet. Dass es sich um Entgelt handelt, ist im Übrigen unter den Beteiligten unstreitig.
- 24
b) Die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG des Rates musste bis zum 02.12.2003 erfolgen (Art. 18 der Richtlinie). Seit diesem Zeitpunkt kann sich auch der Einzelne auf das Gebot der Richtlinie in Art. 2 Abs. 1 berufen, wonach es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung geben darf. Liegt ein Verstoß gegen dieses Verbot vor, so kann der betroffene Diskriminierte die gleiche Behandlung wie die Vergleichsgruppe verlangen, ebenso wie es bei Art. 141 EG hinsichtlich des gemeinschaftsrechtlichen Gebots der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen der Fall ist (vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Rn. 72 zu Art. 141 EGV; Calliess/Ruffert/Blanke, EUV, EGV, 3. Aufl., Rn. 68ff. zu Art. 141 EG-Vertrag; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.09.2008 - 6 A 2261/05 - Juris).
- 25
c) Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beschränkung auf verwitwete, d.h. ursprünglich verheiratete Beamte in § 19 BeamtVG im Hinblick auf in eingetragener Lebenspartnerschaft lebende Beamte eine unmittelbare Diskriminierung nach Art. 2 Abs. 2 a) der Richtlinie 2000/78/EG darstellt. Eine solche liegt vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ermöglicht es Personen gleichen Geschlechts, in einer formal auf Lebenszeit begründeten Fürsorge- und Einstandsgemeinschaft zu leben. Damit wurde für diese Personen nicht die Möglichkeit der Eheschließung eröffnet, sondern ein anderes familienrechtliches Institut geschaffen. Die Bedingungen der Lebenspartnerschaft wurden den in der Ehe angeglichen, insbesondere durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 (BGBl I S. 3396), sind aber nicht identisch. Der Kläger und sein verstorbener Lebenspartner unterlagen der Unterhaltspflicht aus § 5 LPartG in gleicher Weise wie Ehegatten. Hinsichtlich dieser Unterhaltspflicht bestand eine im Vergleich zu Verheirateten vergleichbare Situation. Der Kläger erfährt aber durch das Vorenthalten des Witwergelds eine weniger günstige Behandlung, die auf seiner sexuellen Ausrichtung beruht. Diese verwehrt ihm einerseits, eine Ehe einzugehen, weswegen er keine Witwerversorgung nach § 19 BeamtVG erhalten kann, und stellt andererseits ein unabänderliches persönliches Merkmal dar. Diese sexuelle Ausrichtung, die ihm ein Eingehen der Ehe verwehrt, und nicht der Familienstand ist es, wegen der der Kläger diskriminiert wird. Diese Auffassung wird gestützt durch das Urteil des EuGH vom 01.04.2008 (Rechtssache C-267/05 - Maruko -, ZBR 2008, 375). Darin bejaht der EuGH eine Diskriminierung des Lebenspartners durch Vorschriften, die zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden, falls sich der überlebende Lebenspartner in einer vergleichbaren Situation in Bezug auf die dort streitige Hinterbliebenenversorgung der deutschen Bühnen befindet.
- 26
Eine solche mit Ehegatten vergleichbare Situation besteht auch beim Kläger im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung: Das Witwergeld ist ein Besoldungsbestandteil, dem eine soziale, nämlich familienbezogene Ausgleichsfunktion zukommt. Es knüpft historisch an die Versorgung der hinterbliebenen Witwe an, wie sich aus dem Wortlaut des § 19 BeamtVG ergibt, der lediglich den Anspruch der Beamtenwitwe regelt. Für hinterbliebene Witwer von Beamten ist die entsprechende Regelung durch Verweisung von § 28 BeamtVG auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden.
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Die vollen Versorgungsbezüge sollen vor allem der Beamtenwitwe zugute kommen, die in der Regel während einer längeren Zeitspanne die Arbeit ihres Mannes mitgetragen hat (BVerfG 21, 329 ff.), wobei in der Regel maßgeblich nicht der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch, sondern die umfassende Alimentation des Beamten ist. Vor diesem Hintergrund wird Witwergeld gewährt, wobei es ohne Belang ist, ob sich der Hinterbliebene aus eigenen Einkünften - für eigene Versorgungsansprüche gibt es Sonderregelungen - selbst unterhalten kann oder ob seine Erwerbsbiographie von kindererziehungsbedingten Auszeiten geprägt war. Die Gewährung des Witwergelds ohne Rücksicht auf einen konkreten bestehenden Bedarf stellt sich vor diesem Hintergrund als Maßnahme zur Förderung der ehelichen Lebensgemeinschaft als Ausdruck des besonderen staatlichen Schutzes nach Art. 6 Abs. 1 GG dar.
- 28
Eine Ungleichbehandlung ist allerdings damit noch nicht zu rechtfertigen. Maßgeblich ist nämlich nur, wie sich aus dem Urteil Maruko (a.a.O. Rn. 72) ergibt, ob sich die Lebenspartner und Ehegatten konkret im Hinblick auf die fragliche Leistung in einer vergleichbaren Situation befinden. Es führt daher nicht weiter, die beiden familienrechtlichen Institute abstrakt hinsichtlich ihrer Unterschiede zu untersuchen, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15.11.2007 ( - 2 C 33.06 -, ZBR 2008, 381) tut. Denn Hinterbliebenenversorgung wird allein wegen der früheren Ehe gezahlt (vgl. hierzu insgesamt Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 22.07.2008 - 3 LB 13/06 -).
- 29
Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 06.05.2008 - 2 BvR 1830/06 -, ZBR 2008, 379), das in einer Entscheidung zum Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG, ausgeführt hat, dieser werde aufgrund des in der Lebenswirklichkeit anzutreffenden typischen Befundes gewährt, dass in der Ehe ein Ehegatte namentlich wegen der Aufgabe der Kindererziehung und der hierdurch bedingten Einschränkungen bei der eigenen Erwerbstätigkeit tatsächlich Unterhalt vom Ehegatten erhalte und so ein erweiterter Alimentationsbedarf entstehe. Der Familienzuschlag wird ebenso wie ein Witwergeld nämlich nur wegen der bestehenden, auf Dauer angelegten Partnerschaft - die aber bei Lebenspartnern in der gleichen Erwartung der Dauerhaftigkeit wie bei Ehegatten eingegangen wird - gewährt und hat nichts mit der Erwartung zu tun, dass aus der Ehe einmal Kinder hervorgehen oder adoptiert werden. Familienzuschlag und Witwergeld knüpfen auch nicht daran an, dass früher in der Ehe Kinder gelebt haben, die inzwischen nicht mehr unterhaltsbedürftig sind, als Folge der Kindererziehung der Ehegatte des Beamten aber in seinen Erwerbschancen gemindert ist. Das Bild einer Ehe, die automatisch und im Regelfall auf Kinder angelegt ist, ist mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen in dieser Pauschalität nicht mehr vereinbar. Auf eine konkrete Bedürftigkeit kommt es bei der Gewährung des Familienzuschlags ebenso wie des Witwergelds ohnehin nicht an. Damit befindet sich der überlebende Partner der eingetragenen Lebenspartnerschaft in Bezug auf das Witwergeld in der gleichen Situation wie Ehepartner, so dass eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt ist (vgl. VG Stuttgart, Urteil v. 05.02.2009 - 4 K 1604/08 - juris).
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Aus Nr. 22 der Begründungserwägungen der Richtlinie 2000/78/EG folgt nichts anderes. Dort heißt es, die Richtlinie lasse die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt. Aus der Rechtsprechung des EuGH im Fall Maruko (a.a.O.) ergibt sich aber, dass die Mitgliedstaaten zwar die Zuständigkeit für den Familienstand und davon abhängige Leistungen haben, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit aber das Gemeinschaftsrecht zu beachten ist, insbesondere die Bestimmungen in Bezug auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung (Rn. 59 der Entscheidung vom 01.04.2008, m.w.N.). Dies heißt aber, dass die tragende Erwägung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 26.01.2006 (2 C 43/04, NJW 2006, 1828 = ZBR 2006, 251 zum Familienzuschlag der Stufe 1) nicht zutrifft, es handle sich hierbei um eine Leistung, die allein wegen des Familienstandes gewährt werde, denn es handelt sich vielmehr um eine Leistung, die den Mehraufwand wegen einer lebenslangen Partnerschaft mit der damit gesetzlich verbundenen Unterhaltspflicht ausgleichen soll. Diese Partnerschaft und nicht der Familienstand ist der Anknüpfungspunkt, so dass eine Diskriminierung insoweit nicht zulässig ist. Dasselbe gilt für das Witwergeld, da dieses ebenfalls Teil der umfassenden Alimentation des Beamten unter Berücksichtigung einer Partnerschaft ist, die er aufgrund seiner sexuellen Orientierung nicht in Form der Ehe eingehen kann (im Ergebnis so auch VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 5 A 99.08 - juris).
- 31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kosten waren dem Beklagten ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger die Klage zurückgenommen hat, in vollem Umfang aufzuerlegen, da diese Tatsache keine gebührenmäßigen Auswirkungen hat.
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Die Berufung war gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen.
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